DIE ZEIT:
Herr Hildebrandt, am 19. März dieses Jahres wurde Sudan eingeschläfert, das wohl bekannteste Nashorn der Welt. Wussten Sie schon vorher Bescheid?
Thomas Hildebrandt:
Ja, etwa 14 Tage vorher.
ZEIT:
Jetzt, wo Sudan tot ist …
Hildebrandt:
Für mich ist Sudan nicht tot.
ZEIT:
Wie bitte?
Hildebrandt:
Sein Herz ist stehen geblieben, ja. Aber seine Zellen leben noch. Es wurden Hautproben entnommen nach seinem Tod, es gibt auch Sperma von ihm. Und solange noch biologisches Material von Sudan da ist, ist er nach meiner Definition auch noch nicht tot.
ZEIT:
Er war der letzte männliche Vertreter der Nördlichen Breitmaulnashörner. Wieso wurde er überhaupt eingeschläfert?
Hildebrandt:
Diese Entscheidung hat man sich nicht leicht gemacht in Kenia, Sudan ist schließlich eine Ikone des Artenschutzes. Aber er war 45 Jahre alt und schwer krank. Er konnte nicht mehr aufstehen, und durch sein hohes Gewicht hatten sich bereits Liegebeulen gebildet. Er hat sehr gelitten. Es war richtig, ihn zu erlösen.
ZEIT:
Sudan wurde in Kenia von bewaffneten Rangern rund um die Uhr bewacht. Im vergangenen Jahr hat er ein Profil auf der Dating-Plattform Tinder bekommen, mit der Aktion sollten Spenden gesammelt werden.
Hildebrandt:
Das öffentliche Interesse und die Anteilnahme an seinem Schicksal waren enorm. Die Menschen haben ein Interesse daran, was mit unserem Planeten passiert.
ZEIT:
Jetzt gibt es nur noch zwei Nördliche Breitmaulnashörner, Fatu und Najin. Beide in einem Reservat in Kenia, zwei Weibchen, die nicht mehr trächtig werden können. Trotzdem wollen Sie diese Unterart noch retten. Wie?
Hildebrandt:
Indem wir Fatu und Najin Eizellen entnehmen und diese dann im Labor befruchten. Die Embryonen sollen Südlichen Breitmaulnashornkühen eingepflanzt werden, die als Leihmütter die Nashornkälber austragen.
ZEIT:
Das klingt wahrscheinlich nur für Laien ganz einfach. Wie viel Entwicklung steckt darin?
Hildebrandt:
Mein Team arbeitet an diesem Projekt seit 2015, und wir haben seitdem 25-mal Eizellen bei Südlichen Breitmaulnashornkühen entnommen, haben das Verfahren erprobt und verbessert. Das war eine große Herausforderung, weil es noch nie gemacht wurde.
ZEIT:
Haben Sie es denn inzwischen geschafft, Embryonen zu produzieren?
Hildebrandt:
Unser italienischer Kollege Cesare Galli, ein Spezialist für künstliche Befruchtung bei Rindern und Pferden, hat in seinem Labor Nashorn-Embryonen erzeugt, die man einer Leihmutter einsetzen könnte.
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