/Gender Pay Gap: Deutschlands erbärmlicher Rückstand bei der Gleichstellung

Gender Pay Gap: Deutschlands erbärmlicher Rückstand bei der Gleichstellung

2017
wurde mit dem Lutherjahr der 500. Geburtstag Martin Luthers mit
vielen großen Festen begangen. 2018 hätten wir für unsere
Gesellschaft ein mindestens genauso prägendes Ereignis feiern können
– das 100. Jubiläum des Frauenwahlrechts. Abgesehen von einer
hochrangigen Feier mit der Bundeskanzlerin, besucht hauptsächlich
von Frauen, ist dieser wichtige Jahrestag jedoch untergegangen. Auch
wenn es die Gelegenheit gewesen wäre, auf die Bedeutung der
Gleichstellung hinzuweisen und auch Errungenschaften zu feiern, so
gibt es vielleicht gute Gründe, warum das nicht gemacht wurde. Denn
gerade Deutschland hinkt bei der Gleichstellung von Frauen im
internationalen Vergleich gewaltig hinterher
.

Der
offizielle EU
Gender Equality Report
zeigt, wie weit Europa noch von einer
wirklichen Gleichstellung von Frauen und Männern bei Arbeit,
Wissen, Macht, Geld, Zeit, Gesundheit und Gewalt entfernt ist. Die
positive Botschaft ist, dass Europa in einigen dieser Dimensionen
Fortschritte macht. Trotzdem ist das zu langsam und
die Benachteiligung von Frauen bleibt noch immer hoch. Dieser internationale
Vergleich hilft aber auch, den Fortschritt in Deutschland kritisch
einschätzen zu können, denn vergleichbare Länder dienen als gute
Benchmark. Hier ist das deprimierende Fazit: Deutschland bleibt weit
hinter seinen Möglichkeiten zurück und schneidet gegenüber den
nordischen Ländern, Frankreich oder Großbritannien miserabel ab.

Es
lohnt eine genaue Analyse der Zahlen und Fakten. Das Gesamtbild
zeigt, dass Deutschland bei der Gleichstellung von Frauen unter dem
Durchschnitt aller 28 EU-Länder liegt. Dabei scheinen der Wohlstand
einer Gesellschaft und die Gleichstellung von Frauen positiv
miteinander zu korrelieren, reichere Länder sind generell
fortschrittlicher. Gibt es über diese Korrelation hinaus auch eine
Kausalität? Erzeugt mehr Gleichstellung also mehr Wohlstand? Das
bejaht eine Reihe von Studien. Deutschland ist hier jedoch eine
Ausnahme. Das Land hat zwar eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen und
stärksten sozialen Sicherungssysteme der EU, hinkt aber bei der
Gleichstellung von Frauen hinterher, wie man beispielsweise beim
Gender Pay Gap und dem Armutsrisiko sieht. Vieles deutet darauf hin,
dass die deutsche Gesellschaft durch eine bessere Gleichstellung an
Wohlstand noch gewinnen würde.

Auch
bei den Chancen sowie bei Beschäftigung und Einkommen von Frauen im
Arbeitsmarkt hinkt Deutschland hinter den meisten anderen
europäischen Länder hinterher.

Grafik

So sind zwar heute über 70
Prozent der Frauen in Deutschland berufstätig, wobei dieser Anstieg
in Westdeutschland auch mit der Wiedervereinigung und der
progressiven Mentalität im Osten zusammenhängt. Aber ungewöhnlich
viele Frauen in unserem Land arbeiten in Teilzeit, stecken in atypischen
oder prekären Beschäftigungsverhältnissen und in Branchen, die
schlechte Löhne zahlen. Dabei geben viele Frauen an, gerne mehr
arbeiten zu wollen, dies aber durch fehlende Bildungs- und
Betreuungsinfrastruktur oder hohe Hürden im Arbeitsmarkt nicht zu
können.

50 Prozent mehr Frauen als Männer sind von Armut bedroht

Bei
den Löhnen ist der Gender Pay Gap in Deutschland mit am höchsten in
Europa. Geringere Löhne, eine schlechte Absicherung, eine niedrigere
Arbeitszeit und das Steuersystem – durch das Frauen in Deutschland
deutlich mehr Einkommensteuer zahlen als Männer mit dem gleichen
Bruttolohn, Stichwort Ehegattensplitting – führen dazu, dass
Frauen deutlich weniger Geld haben. So erhalten
verheiratete Frauen ein monatliches Einkommen, das bis zu 40 Prozent
unter dem der Männer liegt. Deshalb ist es nicht überraschend, dass
50 Prozent mehr Frauen als Männer ein erhebliches Armutsrisiko haben. In
Deutschland ist dieser Unterschied noch größer, zumal bei uns fast
30 Prozent der alleinerziehenden Mütter mit ihren Kindern von Armut
bedroht sind.

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