/Jörg Kachelmann: “Ich kriege mein Leben zurück”

Jörg Kachelmann: “Ich kriege mein Leben zurück”

DIE ZEIT:
Herr Kachelmann, der Programmdirektor des MDR, Wolf-Dieter Jacobi, sagte in der
SuperIllu:
“Kachelmann kommt nach Hause.” Sehen Sie das auch so?

Jörg Kachelmann:
Isch gomm heeme. Das stimmt. Zum ersten Mal habe ich
Riverboat
ja schon 1997
moderiert. Ich kenne mich mit dem Format aus und fühlte mich aufgehoben beim MDR. Als ich
seinerzeit mit der Moderation anfing, las ich alle möglichen Schulbücher der DDR durch. Denn
ich kannte den Vorwurf an die Westler: “Ihr wisst ja sowieso nicht, wie das bei uns war.” Da
habe ich mir gedacht: Okay, das passiert mir nicht. Deshalb habe ich den Osten “gelernt”,
ich wusste, welche Orte man auf der ersten Silbe, welche auf der zweiten betont, das heißt
Stral
sund und
Nord
hausen. Das sind winzige Sachen, die aber auch in
meiner Heimat, der Schweiz, wichtig sind. Deshalb wollte ich es richtig machen. Und ich
freue mich über den weltberühmten Jörg-Kachelmann-Weg im sächsischen
Steinigtwolmsdorf-Weifa.

ZEIT:
Den gibt es wirklich?

Kachelmann:
Ja, wirklich. 2004 benannt nach mir! Vor meinem Tod! Hurra! 2010, als ich falsch
beschuldigt wurde, riefen 793 Journalisten in Steinigtwolmsdorf-Weifa an. In der
Sächsischen Zeitung
stand am 7. Oktober 2010: “Die Weifaer hängen an ihrem
Jörg-Kachelmann-Weg.”

ZEIT:
Am Weg – und damit auch an Ihnen?

Kachelmann:
Ja, und ich habe nicht vergessen, wer damals solidarisch geblieben ist. Hier in der Gegend
hieß es: “Mer habm imma gewusst, dass Sie’s nicht gewäsn warn.” Zu Recht.

ZEIT:
War der MDR auch solidarisch? Sie haben 2011 auf die Frage, ob Sie nach Ihrer Verhaftung
irgendwas von früheren ARD-Kollegen gehört hätten, mit “Nein” geantwortet.

Kachelmann:
Aber alle Leute, die damals beim MDR das Sagen hatten, sind nicht mehr da, dort sind jetzt
neue Menschen, und von denen habe ich in den letzten Monaten in der Tat gehört.

ZEIT:
Haben die angerufen oder auf Twitter eine Direktnachricht geschickt?

Kachelmann:
Die erste Anbahnung kam über einen Dritten, dann gab es ein diskretes Vorabtreffen –
wahrscheinlich, um zu sehen, ob ich bei Trost bin. Auf Twitter schreibe ich ja sehr
engagiert und auch polemisch. Ich habe offenbar “bei Trost” gewirkt, danach gab es das
nächste Gespräch mit höheren Etagen.

ZEIT:
Was wollte der MDR?

Kachelmann:
Grundsätzlich wissen, ob man wieder was gemeinsam machen könnte.

ZEIT:
Aus schlechtem Gewissen?

Kachelmann:
Warum sollten die ein schlechtes Gewissen haben? Die Verantwortlichen haben gewechselt, ein
schlechtes Gewissen müssen die nicht haben. Die Anbahnung war ein Prozess über ein halbes
Jahr, vom Frühling bis in den späten Herbst. Jetzt geht es los: Mein erster Gast ist der
wunderbare Gunther Emmerlich. Die beiden ersten Sendungen wurden im Dezember aufgezeichnet.
Die erste war so mittel, ich hatte vor Aufregung kaum geschlafen und war abends schon
ziemlich fix und fertig, als es losging. Die zweite war besser, wir haben gelernt, dass der
Herr Drogerie-Roßmann ein sehr vitaler Mann ist – und mehr.

ZEIT:
Was war Ihrerseits die Motivation, sich auf Fernsehen einzulassen? Hatten Sie von
Öffentlichkeit nicht die Nase voll?

Kachelmann:
Ich habe mir nach meinem Freispruch vier Sachen vorgenommen: 1. Frau Dinkel, die
Falschbeschuldigerin, wird verurteilt. 2. Der Staatsanwaltschaft Mannheim wird verboten zu
lügen. 3. Der Springer-Verlag wird verurteilt. 4. Ich kriege mein Leben zurück. Teil 1, 2, 3
sind geschafft. Der MDR ist für mich der vierte Teil.

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