“Kommen S’ rein”, ruft der rüstige Museumsgründer Eduard Klinger, “kommen
S’ rein!” Er hält die Tür auf, aus dem Inneren ist bereits Freddy Quinn zu vernehmen,
natürlich von einer Vinylscheibe, die sich auf dem Plattenspieler dreht. “Aber bevor Sie
eintreten, muss ich Sie warnen”, sagt der freundliche Kustos, “es könnte sein, dass Sie uns
als Fan verlassen.”
Mit großzügiger Geste weist er den Weg in eine mit Sehnsucht, Einsamkeit und Nostalgie reich gefüllte Schatzkammer: Unzählige Schallplatten lagern hier, Zeitungsartikel, Fotos, Plakate, Videos, Bücher, Memorabilien und glitzernde Show-Anzüge, die jenen von Elvis Presley um nichts nachstehen.
Brigitta und Eduard Klinger betreiben mit all ihrer Leidenschaft das vermutlich einzige Freddy-Quinn-Archiv der Welt. Leicht zu finden ist es nicht: 2. Stock, Aufgang 8, Block A im gigantischen Betondschungel des Wohnparks Alterlaa im Südwesten von Wien. Für die Betreiber ist das allerdings die beste Lage: Sie wohnen direkt über ihrer Sammlung im 18. Stock und verbringen hier einen Großteil ihrer Zeit. “Meine Frau ist für die Optik des Museums zuständig. Also wenn ich das eingerichtet hätte, würde es ganz anders ausschauen – und das meine ich nicht im Guten”, sagt Eduard Klinger lachend. Er blickt auf eine gut 60 Jahre lange Sammelleidenschaft zurück, welche die Klingers bis zu ihrer Pensionierung mit dem Berufsleben unter einen Hut zu bringen wussten: Sie war Lehrerin, er Bilanzbuchhalter und Unterhaltungsmusiker.
Einmal im Monat ist das Museum für die Öffentlichkeit zugänglich, und zwar gratis, inklusive Buffet, Filmvorführungen und Fachtratsch der Freddy-Quinn-Jünger. “Gestern war es wieder so weit, 16 Leute waren da. Letztes Mal waren es 29”, erzählt Brigitta Klinger, während sie übrig gebliebene Kuchenreste wegräumt. “Die höchste Auslastung lag bei 45 Besuchern. Also die Leute herzubringen ist nicht einfach, aber wenn sie einmal da sind, sind sie fasziniert”, ergänzt ihr 75-jähriger Gatte. Ein Besucher verbrachte einmal 13 Stunden durchgehend in der 100 Quadratmeter großen Wallfahrtsstätte, die hier seit zwei Jahren nostalgische Liebhaber anlockt. Zuvor befand sich das Archiv im Block C der Satellitenstadt, vor der Jahrtausendwende war die Sammlung notdürftig in der eigenen Wohnung verstaut.
Brigitta und Eduard Klinger wirken wie ein gefestigtes Paar. Der Veteran unter den Quinn-Aficionados erzählt nicht ohne Stolz über den Ursprung ihrer Ehe: Kennengelernt haben sich die beiden, wie nicht anders zu erwarten, 1978 bei einem Freddy-Quinn-Konzert im Wiener Konzerthaus. Er verkaufte damals eine selbst gebastelte Freddy-Quinn-Clubzeitung, sie war seine Kundin.
Brigitta Klinger kümmert sich ruhig, aber effektiv um sämtliche Belange des Quinn-Schreins, er erzählt derweil voller Freude Anekdoten. Beide sind wandelnde Lexika und kennen aus dem Effeff jede Fußnote zu ihrem “Meister”, wie sie den Sänger nennen. Erkundigt sich ein Besucher danach, in wie vielen Sprachen der Barde eigentlich gesungen habe, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: “In zwölf Sprachen, sieben davon spricht er fließend. Deutsch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Niederländisch, Französisch, Finnisch, Griechisch, Japanisch, Afrikaans, Tschechisch und Polnisch.”
Initialzündung für die lebenslange Anhängerschaft an den mittlerweile 87-jährigen Schlagerhelden, Schauspieler und Zirkusartisten sei der sentimentale Hit
Heimweh
aus dem Jahr 1956 gewesen, sagt Eduard Klinger: “Da hab ich meinen Vater so lange gedrängt, bis er mir endlich die Schellack gekauft hat.” Zu den wertvollsten Gegenständen im Museum gehört das einzig existierende Stück der allerersten Freddy-Quinn-Aufnahmen, “eine Azetat-Schallplatte von 1951. 3000 D-Mark hat uns die gekostet”, erzählt der Direktor.
Die beiden himmeln ihr Idol an, kein Schatten darf auf den Mann mit der Gitarre am Meer fallen. Mitunter wird ja dem gebürtigen Wiener nachgesagt, er, der den ewig einsamen Seemann mimt, sei arrogant, kalt und hölzern. Eduard Klinger möchte so etwas gar nicht hören: “Er ist ein 1931er-Baujahr und entsprechend der Zeit erzogen worden. Er wünscht gewisse Formen ihm gegenüber. Ich hatte nie ein Problem mit ihm.”
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