Dennis Görlich leitet am Kieler Institut für Weltwirtschaft das Global Challenges Center, das internationale Beratungsprojekte des Instituts, unter anderem für die G20, steuert.
Im vergangenen Jahr im Juli richtete Deutschland
erstmals einen G20-Gipfel aus, und Bundeskanzlerin Angela Merkel empfing neben den Staats- und Regierungschefs der G7 auch jene von Ländern wie Brasilien, Indien, China oder
Südafrika zum gemeinsamen Gespräch. Während sich die Medien und die
Öffentlichkeit auf die teils gewaltsamen Proteste konzentrierten, wurde der
Gipfel von vielen Beobachterinnen und Beobachtern dennoch als Erfolg gewertet.
Insgesamt hat die
Bundesregierung die G20-Agenda weiter in Richtung von Nachhaltigkeit,
Klimaschutz und Inklusion entwickelt und damit den traditionellen Fokus auf
Freihandel und Finanzmarktstabilität ausgeweitet. Angesichts wachsender
sozialer Ungleichheit in G20-Ländern und vor dem Hintergrund des
voranschreitenden Klimawandels ist diese inhaltliche Entscheidung sehr richtig
gewesen.
An diesem Freitag kommen die Staats- und
Regierungschefs der 20 größten Industrie- und Schwellenländer wieder zusammen,
diesmal in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Aber die aktuelle
Gipfelkonstellation birgt Risiken, denn die Zahl der Länder, die von My-country-first-Politikern regiert werden, hat seit dem Hamburg-Gipfel
zugenommen. Bekenntnisse zum regelbasierten Handelssystem, eigentlich ein
Standard in G20-Kommuniqués, werden vermutlich nicht zustande kommen.
Konsens ist nicht mehr zwingend, Kompromisse nicht notwendig
Neu am
Verhandlungstisch ist in diesem Jahr Italiens Regierungschef Guiseppe Conte,
der einer tendenziell nationalistisch agierenden Koalition vorsteht. Auch in
Brasilien steht ein kritischer Regierungswechsel bevor: Zwar wird das Land noch
durch den scheidenden Präsidenten Michel Temer beim G20-Gipfel vertreten, doch
dieser ist durch die Wahl des Nationalisten Jair Bolsonaro gelähmt.
Von der amerikanischen Seite sind ebenso kaum Impulse für den Multilateralismus zu
erwarten. Die USA haben dem internationalen Handelssystem mit den
Zollerhöhungen unter Donald Trump einen Dämpfer verpasst, und Berichten zufolge
wird der amerikanische Präsident das G20-Treffen für bilaterale Deals nutzen.
Letztlich ist auch Gastgeber Argentinien durch die Schuldenkrise im Land und
die damit verbundene wachsende Abhängigkeit von anderen Ländern
angeschlagen. All das sind keine guten Nachrichten für den Multilateralismus.
Hinzu kommt noch ein besorgniserregender
Präzedenzfall: Die Vereinigten Staaten haben sich aus dem gemeinsamen
Bekenntnis zum Pariser Klimaschutzabkommen beim vergangenen Gipfel explizit
ausgenommen. Obwohl es als großer Erfolg zu werten ist, dass sich die anderen
19 Länder im Abschlusskommuniqué dennoch zu den Klimazielen bekannt haben,
haben die USA damit eine Art Opt-out-Modell etabliert; der Konsens ist nicht
mehr zwingend, Kompromisse nicht notwendig.
Das kann, insbesondere in
Verbindung mit mehr egozentrischen Staatenlenkern, zur ernsthaften Gefahr für
die Zukunft der G20 werden. Sollte das Modell auch in anderen Bereichen Schule
machen, würden die G20 immer mehr in bilaterale Deals zerfleddert und ihre Kraft
abgeschwächt.
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