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Fall Khashoggi: Provozierende Testreise

Diesmal war es König Salman persönlich, der seinen Sohn auf
Reisen schickte. Erstmals seit dem Mord an dem regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi begibt
sich Mohammed bin Salman wieder auf internationales Parkett. Insgesamt zehn
Tage ist der 33-Jährige unterwegs, den die CIA “mit hoher Wahrscheinlichkeit” für
den Auftraggeber des spektakulären Verbrechens hält. 

Den Abschluss seiner Tour
bildet am kommenden Freitag der zweitägige G20-Gipfel in Argentinien. Dort
wird sich auf der Weltbühne zeigen, wie es nach dem Verbrechen um
das internationale Ansehen Saudi-Arabiens bestellt ist und wie die westlichen Politiker mit dem in die Kritik geratenen Thronfolger künftig umgehen wollen.

Gemessen an den Konflikten, die in Buenos Aires
erwartet werden, ist die erste, hastig organisierte Etappe durch “arabische Bruderstaaten” lediglich die diplomatische Vorbereitung. Die ersten drei Stationen Vereinigte Arabische Emirate (VAE), Bahrain und Ägypten gehören zu der mit Riad verbündeten
Anti-Katar-Koalition.

Der emiratische Kronprinz und De-facto-Herrscher Muhammad
bin Zayed ist der engste außenpolitische Vertraute des saudischen Thronerben mit
dem Kürzel MBS. Bahrain, dessen sunnitisches Herrscherhaus die schiitische
Bevölkerungsmehrheit mit brachialer Repression kontrolliert, ist kaum noch mehr
als ein saudischer Vasallenstaat. Und Ägyptens Diktator Abdel Fattah al-Sissi wäre
ohne die Milliardenhilfen aus dem Königshaus wohl nicht mehr an der Macht.

Gegen die Werte der tunesischen Revolution

Einzig Tunesien, das der Kronprinz für Dienstag als vierten
Zwischenstopp auf dem Weg nach Südamerika eingeplant hat, passt nicht in diese Reihe. Ganz
undiplomatisch ließ Präsident Béji Caïd Essebsi seinen Sprecher erklären, Tunesien
habe MBS nicht eingeladen, der Besuch finde auf dessen Wunsch statt. Tunesien ist das einzige Land, in dem sich die Demokratisierungsbewegung des Arabischen Frühlings weiterhin erfolgreich ist. Auch in
der Bevölkerung gibt es viel Kritik an dem saudischen Prinzen. Aktivisten und Menschenrechtler riefen zu
Demonstrationen auf vor dem Präsidentenpalast und der saudischen Botschaft in
Tunis. Der Nationale Journalistenverband SNJT erklärte
in einem offenen Brief an Staatschef Essebsi, die Visite von Mohammed bin Salman, einem “entschiedenen Gegner der Meinungsfreiheit”, sei eine Provokation
und eine Gefahr für den Frieden in der Region.

Wie die Mehrheit der Tunesier
sei man überrascht worden von den Plänen des Thronfolgers, der nur seine blutige
Weste weißwaschen wolle. “Der Kronprinz ist verwickelt in die Tötung unseres
Kollegen Jamal Khashoggi und in die Verhaftung von Dutzenden saudischen
Aktivisten”, sagte Mohamed Youssouffi, Vorstandsmitglied des Verbandes. “Darum
halten wir seinen Besuch für einen Affront gegen die Werte der tunesischen Revolution
und gegen unsere Demokratie.” Rund 50 Anwälte reichten zudem eine Klage ein, um
dem saudischen Kronprinzen die Einreise zu verweigern – eine wohl eher symbolische
Protestaktion
.

Eine Beleidigung für die Opfer von Ben Ali

Tunesien und Saudi-Arabien haben sich nach dem Arabischen Frühling auseinandergelebt, auch wenn beide Luftwaffen in jüngster Zeit wieder
gemeinsame Manöver abhielten. Viele Tunesier nehmen es dem Königreich übel,
dass es Zine el Abidine Ben Ali seit Jahren Unterschlupf gewährt und
verhindert, dass der Ex-Diktator in seiner Heimat vor Gericht gestellt werden
kann. “Dieser Besuch von Mohammed bin Salman ist eine Beleidigung der Opfer von
Ben Ali”, twitterten Aktivisten am Wochenende. 

Dagegen kommen die meisten Finanzhilfen und religiösen
Spenden der Golfregion aus Katar. Dessen Führung unterhält enge Beziehungen zur
moderat-islamistischen Ennahda-Partei, die im Parlament von Tunis nach dem
Zerfall ihres säkularen Gegenspielers Nidaa Tounes wieder die stärkste Fraktion
stellt. Viele Auslandstunesier leben und arbeiten in Katar.

Gleichzeitig ist der
superreiche Golfstaat der mit Abstand größte arabische Investor in dem
nordafrikanischen Mittelmeeranrainer, nach Frankreich, Deutschland und Italien
auf dem vierten Platz. Kein Wunder, dass Tunesien nach 2011 einen regelrechten
Bauboom bei Moscheen erlebte, deren Zahl sich um 885 auf insgesamt 4.480
erhöhte. Tunesische Kritiker Katars kommen vor allem aus dem linken
politischen Spektrum, aus den Kreisen des alten Regimes sowie aus den Reihen
von Polizei und Bürokratie. Sie werfen dem konservativen Golfstaat vor, mit
seinem Geld den politischen Islam zu fördern und damit eine Radikalisierung der
Gesellschaft.

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