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Syrien: Flucht war für ihn keine Option

Kaum einer hat in Syrien so furchtlos und stur Feinde gesammelt wie Raed Fares. Ein Aktivist und Journalist, der auf Arabisch und Englisch beißende Slogans gegen den Präsidenten Assad und die Terrororganisation “Islamischer Staat” (IS) ins Netz stellte, der immer wieder gewaltfreie Proteste organisierte, eine unabhängige Radiostation betrieb, Frauenprojekte unterstützte – so einer war dem syrischen Regime ebenso verhasst wie den Islamisten, die inzwischen dominieren, was vom bewaffneten Widerstand in Syrien noch übrig ist. Todesdrohungen erreichten ihn regelmäßig. Am Freitagmorgen wurden Fares und sein Mitstreiter Hamoud al-Juneid in ihrer Heimatstadt Kafranbel von Unbekannten auf offener Straße erschossen.

Syrien: Raed Fares, der am Freitag in der Provinz Idlib erschossen wurde (undatiertes Bild)

Raed Fares, der am Freitag in der Provinz Idlib erschossen wurde (undatiertes Bild)
© Kafranbl News via AP

“Das Gewissen der Revolution” – so nennt man Kafranbel in der Provinz Idlib, und diesen Beinamen  verdankt die Kleinstadt Aktivisten wie Fares. Fast jeden Freitag stellen sie sich mit selbst gemalten Transparenten vor die Kameras, seit Jahren, und posten die Bilder im Internet: “Better to die on your feet than live on your knees” ist eine ihrer berühmtesten Parolen. “Lieber aufrecht sterben als auf Knien leben.” Im fernen Europa oder Amerika mag das pathetisch klingen, in Syrien ist es eine Wahl, die jeder Oppositionelle immer wieder für sich treffen muss. Heute mehr denn je zuvor.

Raed Fares hatte über die Jahre unzählige Luftangriffe des Regimes und gezielte Bombenanschläge überlebt. Mehrfach war er von Islamisten entführt worden, die ihn jedes Mal auf massiven Druck der Bürger in Kafranbel wieder freilassen mussten.

Wöchentliche Protesttransparente

Fares’ Heimatstadt spiegelt die jüngere Geschichte Syriens auf besondere Weise wider. Anfang 2011 war es noch ruhig in der Kleinstadt, die bis dahin vor allem für ihre Feigenproduktion bekannt war. Die ersten Proteste gegen Korruption und Staatsgewalt begannen im April 2011, Raed Fares filmte sie und schickte die Aufnahmen an arabische Fernsehsender. Die wöchentlichen Transparente wurde zu Kafranbels Markenzeichen, immer versehen mit Datum und dem aktuellen Status der Stadt: Aus dem “rebellierenden Kafranbel” wurde das “besetzte Kafraßnbel”, als die syrische Armee einen Belagerungsring gezogen hatte. Nach dem Abzug der Armee, als der Sturz Assads immer wahrscheinlicher schien, schrieben Fares und seine Mitstreiter das “befreite Kafranbel” auf die Transparente. Als dann der IS und andere radikale Islamisten die Zivilgesellschaft mit Bombenattentaten und Kidnappings terrorisierten, folgte das “geschändete Kafranbel”.

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