“Polizeiruf 110” Frankfurt (Oder): Jede Familie hat ihre Geheimnisse

Ein 19-jähriges Au-pair-Mädchen wird tot aus der Oder geborgen. Paula Borchert hatte erst seit Kurzem die beiden Kinder des alleinerziehenden Vaters Leo Heise betreut. Beziehungsweise: Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) erfahren bei ihren Nachforschungen, dass Paula ihre Pflichten eher vernachlässigt haben soll. Doch wer legt warum Wert auf diese Feststellung? Ist das ein Ablenkungsmanöver? Der Fall Sikorska führt das deutsch-polnische Ermittlerteam nämlich bald in die Vergangenheit zurück, zu einem ungeklärten Fall aus dem Umfeld der Familie Heise. Julia Sikorska, die Halbschwester von Leo Heise – der immer noch im Haus seiner Eltern wohnt –, ist vor 15 Jahren verschwunden. Sein Vater Gerd wird nun von Julias leiblichem Vater beschuldigt, für das Verschwinden seiner Stieftochter verantwortlich zu sein. Bald mehren sich die Zeichen, dass Paulas Tod und Julias Verschwinden etwas miteinander zu tun haben könnten. Und dass dieser Polizeiruf anschlussfähig an die #MeToo-Debatte sein könnte.

1. Worüber werden am Montag alle reden?

Christian Buß: Über die unübersichtlichen Verhältnisse in der deutsch-polnischen Fernseh-Patchworkfamilie. Doch die Aufmerksamkeit lohnt sich, der Fall ist intensiv und vielschichtig.

Lars-Christian Daniels: Über Herrn Sikorski, Frau Sikorska und ganz viele deutsche Untertitel.

Matthias Dell: Über die fehlenden “FCK AFD”-Sticker.

Kirstin Lopau: Dass es kälter geworden ist, dass bald Weihnachten ist, ob es schon Grünkohl gab, aber sicher nicht über diesen Polizeiruf.

2. Was haben Sie aus diesem “Polizeiruf” gelernt?

Christian Buß: Irgendwann taucht auch die bestversteckte Leiche wieder auf.

Lars-Christian Daniels: Wenn du deine Freundin schon betrügst und von deiner heimlichen Flamme Bikini-Aufnahmen machst – dann speicher das Video nicht auch noch auf dem Desktop und lass dein Notebook unbewacht in der Uni-Bibliothek rumstehen. Erst recht nicht, wenn deine Freundin dieselbe Bibliothek besucht.

Matthias Dell: Dass die “FCK AFD”-Sticker fehlen.

Kirstin Lopau: #MeToo gibt’s auch am Krankenhaus, und es wird unter den Teppich gekehrt. Vor allem aber werden wir bestärkt in dem Wissen, dass es Luminol auch nach 15 Jahren noch richten wird (eine Erkenntnis, die wir dank CSI sicherlich bereits vor zehn Jahren hatten).

3. Welche Frage bleibt offen?

Christian Buß: Von wo nach wo in der Oder trieb die Leiche des Opfers noch mal?

Lars-Christian Daniels: Wo steckt Olga Lenskis Tochter? Verarbeitet wahrscheinlich immer noch das Trauma aus dem letzten Frankfurter Polizeiruf.

Matthias Dell: Wieso fehlen die “FCK AFD”-Sticker?

Kirstin Lopau: Wo ist Spürhund Speedy, und warum darf er nicht am Ende zeigen, was er kann?

4. Welche Rolle hätte man besser besetzen sollen? Und mit wem?

Christian Buß: Gut besetzt, gerade die polnischen Darsteller sind stark. Nach und nach wächst das Grenzrevier im äußersten Osten Deutschlands zusammen.

Lars-Christian Daniels: Die des Wettergottes. Der hat diesem sommerlichen Polizeiruf nämlich deutlich mehr bedeckten Himmel beschert, als es bei den vielen Außenaufnahmen wohl vorgesehen war.

Matthias Dell: Die der fehlenden “FCK AFD”-Sticker – mit “FCK AFD”-Stickern.

Kirstin Lopau: Keine.

5. Von welcher Szene werden Sie träumen?

Christian Buß: Von Leichen, die seit Jahren in hübschen Eigenheimgärten begraben liegen.

Lars-Christian Daniels: Von dem blauen Elefanten-Planschbecken, das am Ende dieses Polizeirufs einsam und allein im Garten steht und nicht das Geringste von dem Drama ahnt, das sich wenige Meter entfernt abspielt. Vielleicht aber auch von der jungen Paula Borchert, die einleitend in bester Honey-Ryder-Manier den Fluten der Oder entsteigt.

Matthias Dell: Von den fehlenden “FCK AFD”-Stickern.

Kirstin Lopau: Hätte ich nicht gucken sollen, wäre ich bestimmt nach zehn Minuten eingeschlafen. So hangelte ich mich bis zur Schlussszene, die bewegt, da eine Frau verzweifelt weint, weil sie plötzlich erkennt und versteht. Sie haben es nicht bis dahin geschafft? Ist auch nicht schlimm!