Horchen wir mal
tief in uns hinein. So richtig tief. Blenden wir alle Bedenken über Datenschutz
und Privatsphäre temporär aus, alle Sorgen zu möglicher Dauerüberwachung, alle hässlichen
Seiten von Monopolen oder generell des Kapitalismus. Also horchen wir wirklich
sehr tief in uns hinein. Da könnte man ja schon manchmal denken: Bei Google zu
arbeiten, das wär’s.
Selbst wenn man
sich nicht für Werbung, Marketing, Entwicklung, Design, Suchmaschinen, Geld
oder dieses Digitale insgesamt interessierte, wäre es sicher schon schön, sich jeden
Tag zum Googleplex in Mountain
View fahren zu lassen. Auf rund 47.000 Quadratmetern gibt es dort alles,
was das Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnen-Herz auch abseits der Arbeit begehrt,
sodass diese ihre 3.000-Dollar-Einzimmerbutze in San Francisco eigentlich auf Airbnb
vermieten könnten, weil sie eh nie zu Hause sind: kostenlose Wäschereien, Essen
für umme, Sporthallen, Beachvolleyballplätze, Bio-Kräutergärten, Fahrräder,
Billardtische, einfach alles.
Spätestens seit
der Eröffnung des Googleplexes müssen deshalb alle Unternehmen so aussehen wie
der Google Campus. Ja, ausnahmslos alle. Darunter machen es progressive, kluge,
hippe Fachkräfte einfach nicht mehr. Und so ist natürlich auch das neue
Google-Büro in der Berliner Tucholskystraße eine Blaupause für die Arbeitswelt
der Zukunft.
Anleitung für das zukunftsorientierte Büro
Gut, ganz so
pompös wie das Googleplex im Silicon Valley ist es vielleicht nicht (zumindest fehlen
Wäschereien, Sporthalle, Beachvolleyballplatz, Bio-Kräutergarten und Fahrräder).
Aber immerhin gibt es kostenloses Essen an wirklich jeder Ecke, Fitnesscenter,
Massageräume, Pflanzen, weiße Wände, manchmal anthrazitfarbene, eine Discokugel
und, zur Eröffnung, silberne Luftballons im Eingangsbogen. Welche High Potentials können da schon
widerstehen? Eben. Hier deshalb die ultimative Anleitung für das perfekte Büro,
approved by Google natürlich:
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Suchen Sie sich ein altes Gebäude. Sie wollen umziehen oder haben noch gar
kein Büro? Wählen Sie etwas mit Baudatum im vorvergangenen Jahrhundert. Auch
wenn Sie eine junge Firma sind, zum Beispiel gerade erst 20 Jahre alt, können
Sie dann allen erzählen, dass Sie in ein altes Gebäude gezogen sind. Das
Gebäude wurde auch noch von Martin Gropius geplant und befindet sich in der
Mitte der Hauptstadt? Jackpot! Erwähnen Sie das bloß möglichst häufig bei Ihren
Rundgängen und natürlich: in der Pressemitteilung.
© Lars Hübner/Google LLC
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Richten Sie überall kleine Stände zum
Erwerb von Essen und Getränken ein.
Bezeichnen Sie diese als Microkitchens
und betonen Sie, dass sie maximal 30 Meter von einem Arbeitsplatz entfernt sein
dürfen. Es sind vielleicht schon Google-Mitarbeiter überfahren
worden, aber nicht verhungert!
-
Stellen Sie einen oder eine Barista ein. Hinterfragen Sie es nicht, tun Sie es
einfach.
- Bauen Sie einen Pizzaofen. Siehe Punkt drei.
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Benennen Sie Ihre Meetingräume. Und seien Sie so richtig witzig!
Lassen Sie sich zum Beispiel von der Stadt inspirieren, in der Sie gerade Ihr
Büro eröffnen. Es gibt einen Flughafen, der noch nicht fertig ist? Einen Club,
in den man als Google-Mitarbeiterin nicht reinkommt (in den Meetingraum aber
schon)? Einen verstorbenen Eisbären? Optimal. Benennen Sie Ihre Räume danach und erfreuen
Sie sich und Ihre Mitarbeiter mit Mails mit dem Betreff “Treffen um zwölf im Knut”
oder “1on1 im BER”!
© Lars Hübner/Google LLC
-
Halten Sie die Meetingräume möglichst
klein. Ganz im Ernst,
große Meetingräume, da kommen die Menschen nur auf die Idee, sich mit ihrer
eigenen Google-Suchhistorie zu beschäftigen oder gar am Sinn ihres Tuns zu zweifeln.
Das ist nicht das, wozu man High
Potentials braucht. Nicht mehr als drei Quadratmeter pro Raum bitte, ein
Tisch, zwei Stühle. Oder nein. Statt des zweiten Stuhls vielleicht lieber einen
Bildschirm, mit dem man ins Büro nebenan videotelefonieren kann oder vielleicht
auch an die anderen Standorte. Sie haben noch gar nicht expandiert? Macht
nichts, think big! Außer bei den Meetingräumen
natürlich.
-
Malen Sie irgendwas an die Wände. Den lokalen Fluss zum Beispiel über
mehrere Stockwerke oder irgendein Kunstwerk, das aussieht wie eine Landkarte,
aber eigentlich ein Astronaut sein soll. Sie wissen nicht genau, von wem es
ist? Auch egal, die Leute sollen auf ihre Bildschirme gucken, nicht an die Wand.
-
Bauen Sie eine Zukunftswerkstatt. Sie haben noch keine? Ist ganz einfach: Streichen
Sie die Wand vor dem Raum in Anthrazit und hängen Sie dort einen pinken
Glitzerzylinder hin. Kleben Sie an einer Wand im Raum selbst Schaltplatten auf
(es ist retro, es ist hip), stellen Sie dort drei Tische mit je zwei
nebeneinanderstehenden Stühlen auf, so richtig wie im Klassenzimmer, nur dass die
Besucher auf einen grünen Vorhang statt auf die grüne Tafel starren. Und
wichtig: Nehmen Sie was mit Zukunft in den Namen oder stellen Sie irgendwo
einen Roboter hin, sonst merkt das vielleicht niemand, dass Sie es ernst meinen
mit, ja, wissen wir ehrlich gesagt auch nicht so genau.
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Installieren Sie Kameras. Wissen Sie, was Ihre Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter so den ganzen Tag treiben? Nicht? Na, wird vielleicht mal Zeit.
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Geben
Sie zur Eröffnung eine Pressekonferenz. Stellen Sie zum Beispiel ein großes Projekt mit Partnern
vor, die Ihnen nicht immer wohlgesonnen waren in der Vergangenheit, Gewerkschaften etwa. Wählen Sie ein Thema, das irgendwie progressiv klingt, Zukunft
der Arbeit oder digitale Bildung oder so, lassen Sie jeden ein Statement
ablesen und reden Sie über alles. Nur nicht über Ihr eigentliches
Geschäftsmodell.
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Lassen
Sie Ihren Chef sprechen.
Ihren CEO kennt wirklich jeder, er ist eine große Nummer? Super, lassen Sie ihn
fünf Minuten lang die Pressemitteilung vorlesen. Ihr CEO ist eher unbekannt? Super,
lassen Sie ihn fünf Minuten lang die Pressemitteilung vorlesen. Sie sind der
CEO? Sparen Sie sich das und gehen Sie gleich zum Pizzaofen.
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