/Beobachtung der AfD: Horst Seehofer rechtfertigt Entscheidung des Verfassungsschutzes

Beobachtung der AfD: Horst Seehofer rechtfertigt Entscheidung des Verfassungsschutzes

Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich hinter die Entscheidung des Verfassungsschutzes gestellt, die AfD als Ganzes zum Prüffall zu erklären. “Wir haben diese
umfangreiche Studie selbst auch beurteilt. Wir halten sie für plausibel.
Und deshalb stehe ich hinter diesen Entscheidungen des Bundesamtes für
Verfassungsschutz”, sagte Seehofer. Zugleich sagte er, es
gehe nicht um eine politische, sondern eine fachliche Entscheidung.

Auf die Frage, ob diese politische
Auswirkungen habe, sagte Seehofer: “Natürlich ist das auch von
politischer Bedeutung. Aber ich lege großen Wert darauf, dass es keine
Entscheidung von Politikern ist, sondern von den
Verfassungsschutzbehörden, entschieden durch das Bundesamt für
Verfassungsschutz, aber auch gestützt auf Material der Länder.”

Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland kündigte an, seine Partei werde sich juristisch gegen die Einstufung wehren. Die AfD
halte diese Entscheidung des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) für
falsch, sagte er.

“Es ist klar, dass das Auswirkungen auf uns hat. Und zwar
juristische Auswirkungen”, sagte der Parteivorsitzende. Die Argumente des BfV für die Entscheidung seien “durchgehend nicht tragfähig”, fügte Gauland hinzu. Der AfD-Fraktionsvorsitzende
machte das “gesellschaftliche Klima” und “politischen Druck” für die
Entscheidung des Verfassungsschutzes verantwortlich.

Mehr als 1.000 Seiten Material

Die
heute verkündeten Ergebnisse fußen auf 1.069 Seiten Material zur AfD und
ihren Gliederungen, das vollständig aus öffentlich zugänglichen Quellen
stammt. Der Fokus liegt auf Material aus dem Jahr 2018, aber auch
aus den Jahren 2017 und 2016 stammen einige der Informationen. Die Sammlung enthält
vor allem programmatische Schriften, Informationen aus
Internetauftritten und aus den Facebook-Profilen von rund
80 Funktionären sowie aus Reden und von öffentlichen Auftritten — unter
anderem rund 80 Stunden Videomaterial aus 182 Reden von 50
Parteivertretern. Nicht berücksichtigt wurden Wortmeldungen in den
Parlamenten.

Es lägen “erste tatsächliche Anhaltspunkte für eine gegen die
freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Politik der AfD vor”, sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang. Das habe eine Einordnung als
Prüffall gerechtfertigt, nicht jedoch als Beobachtungsobjekt.

Anders
verhält es sich bei den als “Verdachtsfälle” eingestuften Gliederungen
“Junge Alternative” (JA) und dem so genannten “Flügel”, der
Sammlungsbewegung um den Thüringer Landeschef Björn Höcke. Hier
kollidierten Äußerungen von Funktionären zum Beispiel mit dem Recht auf Menschenwürde im Grundgesetz, hieß es aus dem BfV.
Minderheiten seien pauschal herabgewürdigt worden, etwa wenn
Herkunftsländer von Flüchtlingen als “Dreckskultur” bezeichnet oder
Flüchtlinge einseitig als Aggressoren und Invasoren dargestellt würden.
Funktionäre der JA richteten sich gegen das Demokratieprinzip und äußerten sich verächtlich über den Parlamentarismus, habe die Prüfung ergeben. Die
Billigung von Selbstjustiz zeuge von einer Missachtung rechtsstaatlicher
Grundprinzipien.

Auch
beim “Flügel” habe es stark verdichtete Anhaltspunkte für
extremistische Bestrebungen gegeben. Die Relativierung des historischen
Nationalsozialismus ziehe sich wie ein roter Faden durch die Äußerungen
von Funktionären. 

JA
und Flügel dürfen als “Verdachtsfälle” nun mit nachrichendienstlichen
Mitteln beobachtet werden, personenbezogene Daten dürfen erhoben und
gespeichert werden. 

Landesämter für Verfassungsschutz entscheiden selbst über Beobachtung

Die
heutigen Entscheidungen des BfV betreffen nur seine eigene Arbeit — das
Bundesamt spricht nicht für die Landesbehörden für Verfassungsschutz.
Diese entscheiden selbst, wie sie die AfD und ihre Gliederungen
einstufen und handeln entsprechend. Deshalb waren die heute
vorgestellten BfV-Ergebnisse auch nicht zuvor im Detail mit den Ländern
abgestimmt worden. Allerdings soll es bald ein Treffen geben, um
gemeinsame Linien auszuloten. 

Möglichen
rechtlichen Schritten der AfD sehe man gelassen entgegen, verlautete am
Dienstag. Man sei zuversichtlich, unangreifbar gearbeitet zu haben. 

Das BfV will zudem die für die Beobachtung des Rechtsextremismus zuständige Abteilung um 50 Prozent aufstocken, hieß es.

Christian Lindner mahnt Parteien zur Zurückhaltung

FDP-Chef Christian Lindner hat die deutschen Parteien davor gewarnt, sich über die mögliche Beobachtung der AfD
durch den Verfassungsschutz zu freuen. “Es darf nicht der Eindruck
entstehen, dass die Parteien sich einer lästigen Konkurrenz über den
Umweg über die Sicherheitsbehörden entledigen”, sagte Lindner. Die politische Auseinandersetzung mit der AfD
müsse inhaltlich stattfinden. So müsse etwa das Rentenkonzept der
Partei kritisiert werden oder Bestrebungen, die Europäische Union zu
verändern. Er vertraue aber der Einschätzung der Sicherheitsbehörden.

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