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Brexit-Abkommen: “Mays Deal ist keine Lösung”

Stephen Kinnock
ist Mitglied der britischen Labour Party und
sitzt seit 2015 im britischen Unterhaus. Im Parlament muss er heute
Abend über das von Theresa Mays ausgehandelte Brexit-Abkommen
abstimmen. Kurz vor der historischen Entscheidung erzählt Kinnock,
dessen Vater als Vize-Präsident für die EU-Kommission arbeitete,
wie er abstimmen wird.

ZEIT ONLINE: Herr
Kinnock, eine leichte Frage zu Beginn: Was wird heute Abend im House of Commons hier im Westminster Palace passieren?

Stephen Kinnock:
Jeder weiß, dass Mays Deal tot ist. Die Premierministerin wird ihr
Vorhaben nicht durch das Parlament bekommen. Laut Verfahrensregeln
muss sie dann am kommenden Montag mit einem neuen Vorschlag
vorsprechen.

ZEIT ONLINE: Wissen
Sie schon, wie Sie abstimmen werden?

Kinnock: Ich werde
gegen Mays Deal stimmen. Mit dem von ihr ausgehandelten Plan würde
Großbritannien Milliarden an Einnahmen verlieren, jedes Jahr. Das
kann ich nicht unterstützen.

ZEIT ONLINE: Sie und
die anderen 639 Abgeordneten haben eine enorme Verantwortung. Wenn
Sie mit Nein stimmen, riskieren Sie eine Fortführung des Chaos im
Vereinten Königreich. Haben Sie keine Angst vor den Konsequenzen?

Kinnock: 52 Prozent
der Bevölkerung haben vor zweieinhalb Jahren für Leave gestimmt.
Das müssen wir akzeptieren. Aber ich als Abgeordneter muss deswegen
nicht einem Plan zustimmen, der das Chaos nur verlängern würde. Es
braucht eine neue Lösung, einen Kompromiss. Deswegen habe ich
gemeinsam mit Abgeordneten anderer Parteien ein alternatives Modell
erarbeitet. Wir nennen es Common Market 2.0.

ZEIT ONLINE: Sie
meinen das sogenannte “Norwegen Plus Modell”, wonach
Großbritannien die EU verlassen soll, aber wie Norwegen Mitglied des
Europäischen Wirtschafts- und Schengenraumes bleibt?

Kinnock: Ich glaube,
etwa 200 Abgeordnete der Konservativen Partei und 150 Abgeordneter
von meiner Labour-Partei würden so dem Plan zustimmen. Es wäre ein
Kompromiss zwischen den englischen Nationalisten, die einen harten
Brexit wollen und den Menschen, die am liebsten in der EU bleiben
würden.

ZEIT ONLINE: Würden
Sie das nicht auch am liebsten? Ihr Vater hat für die EU-Kommission
gearbeitet.

Kinnock: Ich habe in
Belgien meinen Master-Abschluss gemacht, meine Töchter sind im
Herzen der EU geboren, und ich habe beim Volksentscheid gegen den
Brexit gestimmt. Ich bin Europäer. Aber es gibt eben ein Votum von
einer knappen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger. Eine weitere
Eskalation hält das Land nicht aus. Unsere Gesellschaft ist schon
jetzt zu gespalten, um ein neues Referendum auszuhalten. Deswegen
werbe ich für unseren Kompromiss.

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