/“Tatort” Wien: Das war ein fester Schock

“Tatort” Wien: Das war ein fester Schock

Das Prinzip der letztwöchigen Folge, als es um die Hirngespinste eines Streifenpolizisten in Köln ging, wäre mit “wahre Lügen” treffend beschrieben gewesen. Wahre Lügen heißt nun aber der aktuelle Wiener Tatort (ORF-Redaktion: Bernhard Natschläger, Andrea Zulehner), der den Titel anders akzentuiert.


"Tatort" Wien: Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über "Tatort" und "Polizeiruf 110". Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne "Der Obduktionsbericht".

Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über “Tatort” und “Polizeiruf 110”. Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne “Der Obduktionsbericht”.
© Daniel Seiffert

Der Bibi (Adele Neuhauser) und dem Eisner (Harald Krassnitzer) geht nämlich ein ganz ein dicker Fisch an die Angel, die sie nie ausgeworfen haben: In dem Auto, das zu Beginn aus dem Wolfgangsee gezogen wird, findet sich die Leiche der Journalistin Silvie Wolter (Susanne Gschwendtner), die Verbindungen in die höchste Politik unterhielt.

Es geht um Waffengeschäfte, denen Wolter auf der Spur gewesen sein soll, und die zur sinister-charismatischen Gestalt eines David Weimann (der große Robert Hunger-Bühler) führen. Zugleich verweisen ihre Recherchen auf einen Fall, den es wirklich gab: den Tod des ehemaligen österreichischen Verteidigungsministers Karl Lütgendorf. Der kam 1981 unter dubiosen Umständen ums Leben, vier Jahre zuvor hatte er wegen seiner Verwicklung in Waffengeschäfte zurücktreten müssen.

Es hat natürlich etwas Putziges, wenn ein ARD-Sonntagabendkrimi antanzt, um spektakulär ungelöste Verbrechen aus dem richtigen Leben aufklären zu wollen. In Kiel ging das mit dem – aus Sicht des Schauplatzes – naheliegenden theorienumrankten Barschel-Tod in der Badewanne mal nicht so gut aus; in Stuttgart gelang der Bezug zur RAF-Geschichte vor gut einem Jahr besser, weil der Film alle Möglichkeiten der sogenannten Nacht von Stammheim hübsch durchspekulierte. 

In Wien ist es in gewisser Weise ähnlich: Der Verteidigungsminister-Tod ist nicht der Fall, den die Bibi und der Eisner am Ende lösen. Der ehemalige Lütgendorf-Freund Kirchweger (Peter Matić), den sich Wahre Lügen erfindet, kommt zwar durchaus wichtigtuerisch mit dem Tagebuch vom “Karli” um die Ecke – die Figur wird aber, bevor sie dem Eisner die krasse Wahrheit überbringen kann, tot aufgefunden, auf dieselbe Weise wie einst der Politiker. So wirft die Realität ihre Schatten (Buch und Regie: Thomas Roth).

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