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Pedro Sánchez: Wohin mit Francos Knochen?

Gleich zu Beginn seiner Amtszeit wollte Pedro Sánchez damit öffentlichkeitswirksam punkten: In seinem ersten Fernsehinterview im Juni 2017 kündigte
Spaniens sozialistischer Premier an,
die Überreste des 1975 verstorbenen Diktators Francisco Franco
umzubetten
. Noch vor der Sommerpause sollten sie aus dem
Valle de los Caídos, dem monumentalen Grabmal im Guadarrama-Gebirge
50 Kilometer nordwestlich von Madrid, exhumiert werden. Doch ein
halbes Jahr später liegen die Knochen immer noch an der gleichen
Stelle: bestattet unter einer schlichten Granitplatte in
einer Felsenkirche, die ein 155 Meter hohes Betonkreuz krönt. Ein paar Wochenendausflügler machen heimlich Selfies davor. Als die
Wächterin wegschaut, reckt einer den Arm zum faschistischen Gruß.

Just
solche Bilder wollte Sánchez mit seinem Vorstoß vermeiden. Als
Pilgerstätte Franco-Getreuer gilt das Mahnmal vielen als
sichtbarstes Zeichen einer immer noch mangelhaften Aufarbeitung der
fast vierzigjährigen Diktatur.

Franco selbst hatte den Bau in Auftrag gegeben – als Mahnmal seines Sieges im Bürgerkrieg (1936 bis 1939). Im
Inneren der in den Fels gesprengten Basilika huldigen Marienkapellen
den Schutzpatroninnen der spanischen Heere. In den Seitenkapellen des
Tunnelgewölbes ruhen die Überreste von 30.000 Bürgerkriegsopfern;
Unterstützer des Putschisten ebenso wie republikanische Soldaten.
Das sei Ausdruck des Charakters der Basilika als “Mahnmal der
Versöhnung”, heißt es in der offiziellen Broschüre. Dabei konnte
von Versöhnung bei der Einweihung 1959 keine Rede sein.

Eigentlich schien alles geklärt

Unterstützer
der spanischen Republik wurden unter Franco strafrechtlich verfolgt. Die Basilika war unter anderem von republikanischen Zwangsarbeitern
gebaut worden, die Überreste der republikanischen Toten hatte man
teils ohne Genehmigung ihrer Familien dorthin gekarrt. Heute ist es
nach Ansicht von Historikern vor allem die Präsenz des Diktators selbst,
die eine andere Lesart als die der Verherrlichung seines Regimes
erschwert. Bereits 2011 forderte eine von Sánchez’ Parteikollegen
José-Luis Rodríguez Zapatero eingesetzte Kommission die Umbettung,
eine Ausstellung sollte den notwendigen Kontext zur historischen
Einordnung des Bauwerks liefern.

Für beides schien es zuletzt einen
breiten Konsens zu geben. Im Mai 2017 hatte das spanische Parlament
die damals noch amtierende Regierung unter Mariano Rajoy um Umsetzung des
Gutachtens gebeten, lediglich die konservative PP und ein paar
regionale Parteien hatten sich enthalten. Wohl auch
deswegen erschien Sánchez der Vorstoß als opportuner Auftakt
seiner Amtszeit: ein symbolpolitischer Akt mit geringen politischen
Kosten – und großer Breitenwirkung. Doch der Premier
hatte die Rechnung ohne die sieben Enkel des Diktators gemacht – und
ohne den Benediktinerorden, der seit 1958 mit der seelsorgerischen
Pflege des Grabmals beauftragt ist. Beide blockieren Sánchez’ Prestigeprojekt, bisher erfolgreich.

“Blamage ersten Ranges”

Laut Dekret
sollten Francos sterbliche Überreste seiner Familie übergeben
werden
, um sie in deren Grab auf dem Pardo-Friedhof bei Madrid
beizusetzen, fernab der Öffentlichkeit. Doch die Enkel bevorzugten
als letzte Ruhestätte die Familiengruft in der Almudena-Kathedrale,
der Bischofskirche des Erzbistums Madrid. Hier, im Herzen der
Hauptstadt, ließ sich das spanische Königspaar trauen, prominenter
kann man als Toter kaum ruhen.

Offensichtlich war der Regierung unter
Sánchez die Existenz dieses Grabes nicht bekannt. In den Augen des
Kirchenjournalisten José Manuel Vidal eine “Blamage ersten
Ranges”, die zu einem kirchenpolitischen Eiertanz führte. “Rein
kirchenrechtlich kann das Anrecht eines Christen auf eine Grabstätte
nicht verweigert werden – ganz egal, um wen es sich handelt”, sagt
Vidal. “Gleichzeitig bemüht sich die spanische Amtskirche unter
Franziskus um einen politisch neutralen Kurs und will nicht als
Fürsprecherin der politischen Rechten gelten.” Kaum eine Debatte
sei dabei so heikel wie der Umgang mit dem toten Diktator. Die
katholische Kirche war nicht nur zunächst einer der wichtigsten
Stützpfeiler der Franco­-Diktatur – in den Nullerjahren hat sie
sich auch als Widersacherin der sozialistischen Regierung von Zapatero
profiliert und zu Großdemos gegen dessen Gesellschaftsreformen
aufgerufen.

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