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Handelskammer Hamburg: Versteh einer diese Kaufleute

Seit die Hamburger Handelskammer 2017 von einem Rebellenbündnis um den Unternehmensberater Tobias Bergmann übernommen wurde, sind die Interna der Wirtschaftsvertretung auch immer großes Kino. Dies umso mehr, seit am 8.
Dezember 2018 Präses Bergmann zurückgetreten ist, weil
er für seine Reformen im eigenen Bündnis keinen Rückhalt mehr hatte. Übergangsweise
führt nun der Bildungsunternehmer André Mücke das Präsidium, doch der will nicht Bergmanns Nachfolger werden. Stattdessen gibt es nun zwei andere Kandidaten für die Wahl am 24. Januar. Zu verwirrend? Dann beantworten wir hier die wichtigsten Fragen:

Wer ist eigentlich diese Handelskammer und warum ist sie so wichtig?

Die
Hamburger Handelskammer zählt seit mehr als 350 Jahren zu den mächtigsten
Institutionen der Stadt und hat – mal mehr, mal weniger – bemerkbar großen
Einfluss, nicht nur auf die Wirtschaft, sondern auf das Leben aller Hamburgerinnen und Hamburger.
Manche bezeichnen die Kammer sogar als Schattenregierung, weil die Verbindung
zwischen Politik und Kammeroberen traditionell sehr eng ist. Symbolisiert wird
dies nicht nur durch eine Verbindungstür zwischen Rathaus und Kammergebäude, sondern auch durch die alljährliche
Silvesterrede des Kammerpräses anlässlich der Versammlung zum Ehrbaren Kaufmann, bei der er der Politik im Namen der Wirtschaft ein Zeugnis ausstellt.

Stehen
wichtige Entscheidungen für die Stadt an, mischt die Kammer meist mit: Die
Olympia-Bewerbung war ihre Idee. Im Streit um Stadtbahn, Busbeschleunigung, Radverkehr
oder die Frage, ob die Stadt die Energienetze zurückkaufen soll, vertrat sie
stets einen klaren Standpunkt mit dem Anspruch, dies sei “die Meinung der
Wirtschaft.”

Die Kammer hat
aber auch wichtige, gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben. So nimmt sie die Prüfungen
der Hamburger Auszubildenden ab. Darüber hinaus berät sie Start-ups in Gründungsfragen oder Unternehmerinnen, die sich im Ausland niederlassen
wollen.

Jeder
Unternehmer ist gesetzlich verpflichtet, Mitglied einer Kammer zu sein und muss
dafür Beiträge zahlen. Derzeit hat die Hamburger Handelskammer rund 160.000
Mitglieder. 

Wieso wird dort andauernd gestritten?

Lange wurden die Geschicke der Kammer von einer alteingesessenen Wirtschaftselite bestimmt. Sie hatten das Plenum, das als Parlament der Wirtschaft gilt und in dem gewählte Unternehmer über die Leitlinien der Kammer bestimmen, fest im Griff. Die alte Elite regierte die Kammer gemeinsam mit dem ehemaligen Geschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz über viele Jahre verschwenderisch und intransparent. Beispielsweise
erhielt Schmidt-Trenz ein Gehalt von mehr als einer halben Million Euro im Jahr,
was aber lang niemand wissen durfte. 

2011 wurde dann der Unternehmensberater Tobias Bergmann ins Plenum gewählt. Er begann, die Verhältnisse zu hinterfragen. Von 2014 an
formierte sich um Bergmann eine Widerstandsgruppe. Sie veröffentlichte Schmidt-Trenz’ Gehalt, forderte dessen
Absetzung sowie eine Abschaffung der Kammerbeiträge. Bei den Kammerwahlen 2017
errangen die Kammerrebellen unter Bergmanns Führung 55 der 58 Sitze im Plenum.
Ihr Versprechen: Wir schaffen die Pflichtgebühren der Kammer ab. Bergmann wurde Präses, der Geschäftsführer Schmidt-Trenz teuer abgefunden.

Doch der
Streit ging weiter, diesmal innerhalb des Rebellenbündnisses. Während des
Wahlkampfs hatte Bergmann wahllos Unternehmer
hinter sich geschart, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Gemeinsam
hatten sie nur zwei Dinge: Sie waren gegen das Establishment und gegen die Kammerbeiträge.
Spätestens seit Schmidt-Trenz abgesetzt war und sich abzeichnete, dass die
Abschaffung der Kammerbeiträge gar nicht möglich ist, zerfiel der Zusammenhalt im
Bündnis. Jeder war nun bedacht, sich selbst zu profilieren. Erbittert gestritten
wurde nicht nur über die neue Geschäftsführerin, sondern angeblich auch über
die Marke des Mineralwassers, das im Plenum gereicht wird.

Wer will dort nun Chef werden?

Es zeichnet sich ein Duell zwischen dem Hafenunternehmer Johann Killinger und dem ehemaligen Vorstandschef von Lloyd Fonds, Torsten Teichert, ab. Beide waren im Wahlkampf 2016 überraschend zu Bergmanns Rebellenbündnis gestoßen, das bis dahin keine Unterstützer aus der maritimen Wirtschaft hatte. Der kommissarische Präses André Mücke wird wohl nicht antreten.

Teichert
hatte im Streit mit Bergmann vergangenen
Herbst dem Rebellenbündnis den Rücken gekehrt. Viele dort machen ihn für
Bergmanns Rücktritt verantwortlich. In der Kammer ist Teichert Vorsitzender des
Innenausschusses und damit auch für die Finanzen zuständig. Der Ex-Manager gilt
als Strippenzieher, an dem Kritik abprallt, was derzeit gute Voraussetzungen
für den Job als Präses sind. Andererseits haftet ihm das Image des
“Königsmörders” an, was seine Chancen bei Bergmanns ehemaligen Gefolgsleuten
schmälert.

Killinger
wurde einst von seinem jetzigen Kontrahenten Teichert für das Rebellenbündnis
angeworben und steht Bergmann nach wie vor nahe. Der geschäftsführende
Gesellschafter des Hafenunternehmens Buss Group könnte aber auch bei den
traditionelleren Kräften punkten. Er gilt als Macher und knallharter
Geschäftsmann. Aber auch als einer, der den Streit in der Kammer möglicherweise
schlichtet oder zumindest als verbindendes Element zwischen den
unterschiedlichen Lagern wirkt.

Warum will keiner der einstigen Rebellen Chef werden?

Eigentlich
kann man diesen Job derzeit niemandem empfehlen. Das Kammerplenum ist zerstritten
wie nie. Und bereits in einem Jahr sind wieder Kammerwahlen. Die Gefahr, dass
der neue Präses lediglich eine lame duck und schon bald nicht mehr im Amt
sein wird, ist sehr hoch. Gleichzeitig muss der Anspruch des neuen Präses sein,
die Kammer zu einen und zu ihrer alten Stärke zurückzuführen.

Sich in
der jetzigen Situation auf den Präsesjob zu bewerben, erfordert auf jeden Fall
ein äußerst großes Selbstbewusstsein. Außerdem muss man sich den Posten erst mal
leisten können. So sehr, wie sich die Kammer derzeit im Umbruch befindet, ist
das Amt ein Vollzeitjob – allerdings ohne Bezahlung. Womöglich sind Killinger
und Teichert schlicht die einzigen, die jeweils genug Zeit, Geld und Chuzpe
haben, um neuer Präses zu werden.

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