Diesen Samstag droht
in Hamburg ein Verkehrskollaps. Andreas Gabalier spielt im Volksparkstadion und
Udo Lindenberg zur gleichen Zeit in der Barclaycard Arena. Das ideale Testszenario für
die App Nunav Navigation. Das System verspricht, mit einer Art Schwarmintelligenz
die Nutzerinnen und Nutzer um Staus, Baustellen und Sperrungen direkt zu einem
freien Parkplatz zu navigieren. Dahinter steckt das Hannoveraner Unternehmen
Graphmasters, das die App schon zum Hafengeburtstag in Hamburg einsetzte.
Unternehmenssprecher Daniel Stolba erklärt, wie die Software funktioniert.
ZEIT ONLINE: Herr Stolba, Sie glauben, am
Samstagabend den großen Verkehrskollaps vermeiden zu können. Wie wollen Sie das
schaffen?
Daniel Stolba: Wir haben ein
riesiges Problem damit, dass Navigations-Apps noch mehr Staus verursachen,
indem sie allen Nutzerinnen und Nutzern ähnliche Routen empfehlen. Dadurch
landen alle irgendwann auf der gleichen Straße. Dann bieten die Navis eine Ausweichroute
an, auf der ebenfalls schnell Stau entsteht. Die Straßenstruktur wird also
nicht intelligent ausgelastet. Unsere App basiert hingegen auf dem sogenannten Collaborative Routing, das heißt, alle Fahrzeuge werden als Teil eines
Schwarms organisiert. Wir prognostizieren vorher, welche Straße welche
Kapazität haben wird, und verteilen die Autos dann intelligent im Straßennetz
über mehrere Routen.
ZEIT ONLINE: Sie arbeiten dafür auch mit
Verkehrsbehörden zusammen, wie läuft das ab?
Stolba: Wir bekommen
von der Behörde Daten zu Baustellen oder Straßensperrungen und speisen die in
unser System ein. Das haben wir zum Beispiel auch beim Hafengeburtstag gemacht.
Da wollte die Stadt nicht nur Staus vermeiden, sondern auch verhindern, dass
alle Fahrzeuge auf die Nebenstraßen ausweichen. Deshalb haben wir für unsere
Navigation nur die Hauptstraßen genutzt. In der Software können wir virtuell
Straßen sperren oder auch ganz rausnehmen. Der Autofahrer merkt von dieser
Technologie nichts.
ZEIT ONLINE: Wie funktioniert das dann am
Samstag bei den Konzerten von Andreas Gabalier und Udo Lindenberg?
Stolba: Da arbeiten
wir direkt mit dem Veranstalter zusammen. Im Vorfeld wird zum Beispiel genau
definiert, welche Parkplätze genutzt werden sollen. Das System merkt, wenn die
Parkplätze langsam voll werden, oder der Veranstalter sperrt diese selbst
virtuell. Die App lenkt Sie dann automatisch zu einem freien Platz. So fahren
nicht alle ewig rum und suchen oder diskutieren mit dem Parkwächter, ob sie
nicht doch noch reinpassen. Denn eigentlich will man ja nur ankommen und Spaß
haben.
ZEIT ONLINE: Die App befindet sich in
Hamburg noch in der Betaphase. Haben Sie das im Vorfeld getestet?
Stolba: Wir haben 18
Monate in Hannover mit der Messe getestet. Jetzt wird unsere Software in
Hannover für das digitale
Verkehrsmanagement eingesetzt, gefördert vom niedersächsischen
Wirtschaftsministerium. Zum
Helene-Fischer-Konzert 2018 in Hannover haben etwa zwölf bis 13 Prozent der
Besucherinnen und Besucher unsere App genutzt. Die Analyse hat ergeben, dass
die Nunav-Nutzer deutlich flüssiger angekommen sind, andere sind in Staus
reingefahren. Bei der weltgrößten Agrarmesse konnten wir mit zwei
Prozent der Besucher, die unsere App genutzt haben, den Verkehrsfluss um 18
Prozent verbessern.
ZEIT ONLINE: Bei einem Test treten in der
Regel auch Fehler auf. Wo hakt es denn noch?
Stolba: Eine große
Herausforderung sind immer noch Baustellen und spontane Sperrungen. Damit die
App richtig funktioniert, brauchen wir eine sehr große Datenlage. Was das
System nicht weiß, kann es nicht voraussagen. Die Hamburger Verkehrsbehörde hat
uns aber schon einen Großteil der geplanten Baustellen digital zur Verfügung
gestellt, und die Polizei gibt uns Straßensperrungen durch. Ohne solche
Kooperationen könnten wir auch nicht zu Veranstaltungen und freien Parkplätzen
navigieren.
ZEIT ONLINE: Wenn der Test am Samstag gut
läuft, sind dann weitere Kooperationen geplant?
Stolba: Mit dem HSV
gibt es schon die Absicht, in der nächsten Saison auch ein Fußballspiel zu
testen. Darüber hinaus müsste die Stadt uns dann beauftragen.
ZEIT ONLINE: Ihre App ist kostenlos und
werbefrei, wie finanzieren Sie sich?
Stolba: Die Software
wird auch von Logistikkunden genutzt. Für Hermes haben wir etwa eine eigene
App entwickelt. Wir planen deren Routen, womit Zeit und CO2 gespart werden. Oder
wir werden von Städten beauftragt, deren Verkehr digital zu regeln.
ZEIT ONLINE: Wie viele Nutzer gibt es
bereits in Hamburg?
Stolba: Da wir
hohe Datenschutzstandards haben, wissen wir nichts über unsere Nutzer. Aber die
aktive Nutzung unserer App in Hamburg steigt stetig an. Beim Weltrekordversuch im
vernetzten Fahren zum Hafengeburtstag waren es
zeitweise bis zu 3.000 Fahrten gleichzeitig. Wenn man bedenkt, dass Autos im
Schnitt 23 Stunden am Tag herumstehen, ist das ziemlich viel. Und je mehr Leute
mit Nunav fahren, desto besser wird es.
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