Wenn
Hamburg – analog zum Elbjazz – ein Festival Elblicht hätte, wie würde es dort
zugehen? Die Gäste kämen zu Tausenden aus der Stadt und von weither, um
abends im Hafen die prachtvoll beleuchteten Schiffbauhallen, Container und
Kräne zu erleben, würden dann aber gar nicht so richtig hinsehen, sondern stattdessen immerfort ihre Smartphones zücken, um mit der Aufnahmefunktion die
Stücke der Jazzbands mitzuschneiden, die an jeder Ecke spielen. Toll, würden
alle sagen, bei einem Lichtfestival so viel Jazz hören zu können – das sei ja
wirklich außerordentlich!
Das
Elbjazz, das am Wochenende nun zum neunten Mal stattfand, ist ein Spektakel
ganz eigener Art. Ist das Wetter gut wie in diesem Jahr, gibt es wenig zu
nörgeln. Die Gäste wogen zwischen den neun Spielstätten in Wellen über den
Fluss hin und her, strömen durch den Alten Elbtunnel, entern die Barkassen,
füllen die Busse. Wenn das Genre Jazz seiner Natur gemäß die Leiber auch eher
schwer in Bewegung bringt, dann tun es die hier vorgehaltenen Verkehrsmittel,
die nach der Beleuchtung die zweitmeiste Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Selbst
ein prosaisches Alltagsgeschehen wie Busfahren kann als Teil eines Festivals
ja zum Ereignis werden. Denn anders als sonst haben alle Passagiere dasselbe
Ziel: Kulturgenuss!
Die
vielen Konzerte, die Elbe als Hürde und das Warten auf Transport führen dazu,
dass man oft nicht da ist, wo man gerne wäre oder glaubt, gewesen sein zu
müssen. Immerhin führt das Gedränge zu einem regen Austausch: Beim Elbjazz
lernen die Fans einander kennen, weil sie im Tunnelaufzug oder in der Schlange
am Ableger die Gesprächsfetzen aufschnappen und sich gleich einschalten können.
Ach, ihr wart eben auf der Stubnitz! Wen habt ihr da gehört? Und wie war’s? Und
wo kommt ihr her? Aus Bremerhaven? Ganz mit
Fahrrädern? Ach, die habt ihr mitgebracht…
Jazz ist für alle da, jedenfalls Elbjazz
Das
Alter des Publikums reicht von bis, was für Musikveranstaltungen, die oft nur eine spezifische, durch
Geburtsjahrgänge definierte Kohorte anzieht, ungewöhnlich ist. Man sieht junge
Mädchen, viele erwachsene Paare, alte Hasen, man könnte sagen: Jazz ist für alle da, jedenfalls Elbjazz.
Wer
auf dem Werksgelände von Blohm + Voss zwischen den drei Großbühnen seine
Runden dreht, hat bisweilen das Gefühl, auf einem Jahrmarkt zu sein. Karusselle
fehlen, dafür drehen die an Kränen hängenden Discokugeln ihre Lichtflecken
übers schrundige Werftpflaster bis einem ganz schwindlig wird. Halt stiften die
Buden mit den volksfestüblichen Getränken. Keine Zuckerwatte, dafür Tom Kha Gai
und Cuban Street Food. Der teuerste Kaffee ist zehn Stunden lang kalt getropft!
Und
dann gibt es natürlich noch die Musik. Meistenteils ist sie im Stehen
einzunehmen, als wäre Jazz Pop, ist er aber nicht, beziehungsweise hier doch,
denn das Spektrum des Gebotenen reicht von Elektronifiziertem über Soul bis zu
Hip-Hop und dem Sophie Hungerschen Liedermaching. Beim Hören ist ein Kommen und Gehen. Da
schlagen wuchtige Bassdrums besser ein als ein elastisch gespieltes Schlagzeug.
Das Trio um Deutschlands Jazzstar Michael Wollny gibt sich alle Mühe, seine
Feinheiten auf der größten Bühne Open-Air-gemäß anzurauen. Wollny stürzt sich
gleich im ersten Moment mit den Ellenbogen in die Klaviatur, wie um zu zeigen,
dass die Größe der Crowd seinen Ansatz nicht kompromittiert. Aber sein Bassist
Christian Weber streicht seinen Kontrabass dann fürs Auge; zu schwach dringt es
aus den Boxen. Es ist ein Perlen vor die Schiffe werfen.
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