Politiker der CDU und CSU denken seit dem Video-Erfog des YouTubers Rezo offenbar verstärkt über neue Möglichkeiten nach, die Parteien digital besser aufzustellen. Während der Verein CNetz eigene YouTuber vorschlägt, möchte der CSU-Vorsitzende Söder durch mehr Digitalisierung seiner Partei mehr Mitbestimmung ermöglichen.
Eine neue Digitalstrategie und eigene YouTuber schlägt der unionsnahe Verein CNetz der CDU in einem Papier vor, das der Bild am Sonntag vorliegt. In der Medienszene herrsche “eine zumindest wahrgenommene Vorliebe für grüne und linke Sichtweisen”, heißt es in dem Papier. “Daher muss die CDU offenkundig andere, eigene Influencer aufbauen, die weniger vorgeprägt denken.” Dies dürften aber “keine typischen Politiker” sein. Auch zu Vorbildern und Herstellung künftiger Videos gibt CNetz Tipps: “Bei #Rezo kann man die Machart lernen: Schnelle, prägnante Argumente, Schnitte, Quotes, Charts, Musik, Webkommunikation.” Ein fünfminütiges Video, in dem einer die ganze Zeit am Stück rede, sei von gestern, so der Verein.
Der Verein Cnetz wurde 2012 von jüngeren Mitglieder der Union als Lobbytruppe gegründet. Der Gruppe gehören mehrere CDU-Bundestagsabgeordnete und Landespolitiker, aber auch einfache CDU-Mitglieder an. Eines der Gründungsmitglieder ist der CDU-Abgeordnete Thomas Jarzombek, der derzeit auch Sprecher des Vereinsvorstands ist.
Mitbestimmung in Echtzeit
Markus Söder bezeichnete unterdessen Social Media einem Bericht der Welt am Sonntag zufolge als die “fünfte Gewalt” und die schnellste Form der Kommunikation. Der CSU-Chef wolle daher in Bayern einen “YouTube- oder Influencer-Preis” ausschreiben lassen. Man müsse der digitalen Welt mit mehr Respekt begegnen, sagte Söder. “Sie ist unsere reale Welt. Man geht nicht ins Internet, sondern man ist immer drin.”
Auch auf anderen Ebenen will er die Digitalisierung der CSU vorantreiben und so mehr Mitbestimmung ermöglichen. “Ich kann mir vorstellen, dass wir auch mal eine Parteivorstandssitzung in Echtzeit streamen und die Menschen auffordern, mitzukommentieren”, sagte der bayerische Ministerpräsident der Zeitung. “Wir könnten die Menschen so auch an Entscheidungen beteiligen. Die Menschen wollen eine Every-Day-Democracy, also jeden Tag mitbestimmen und nicht nur ab und zu an einem Wahltag.”
Auch im traditionellen Medienbreich hatte die Partei vergangene Woche Veränderungen angekündigt. Nach mehr als 65 Jahren werde die CSU im Sommer ihr Parteiorgan Bayernkurier einstellen, sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume nach einer CSU-Vorstandssitzung. Die Partei wolle ihre Ressourcen künftig voll auf die digitale Kommunikation legen.
Die Schwesterpartei CDU hatte nach der Kritik des YouTubers Rezo lange um eine Antwort gerungen. Das Video, das inzwischen mehr als 14 Millionen Mal geklickt wurde, hatte auch wegen der umstrittenen ersten Reaktion der CDU darauf für Schlagzeilen gesorgt. Generalsekretär Ziemiak hatte zunächst abweisend auf das Video reagiert und Rezo erst nach öffentlicher Kritik an diesem Verhalten zu einem Meinungsaustausch eingeladen. CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hatte zudem nach der Europawahlpleite Regeln für “Meinungsmache” im Internet in Wahlkampfzeiten ins Gespräch gebracht und viel Kritik auf sich gezogen.
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