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Künstliche Intelligenz: Bloß nicht zerreden

Die Zukunft ist Alibaba viel wert: 15 Milliarden US-Dollar
will das chinesische Unternehmen allein in den kommenden drei Jahren in
Forschung und Entwicklung investieren – vor allem in die der künstlichen Intelligenz (KI). Auch andere Unternehmen wie Amazon, Google oder
Facebook haben die Vorzüge der Technologie entdeckt und entwickeln sie fleißig
weiter. Es ist ein digitales Wettrüsten entstanden, an dem sich auch Staaten
mit teils ambitionierten Strategien beteiligen: Wer dominiert künstliche Intelligenz?

Noch sind der Maßstab, wie so oft, die USA: In keinem Land der Welt promovieren mehr Menschen
pro Jahr zu künstlicher Intelligenz; ausgehend von der großen Zahl an Instituten
und Lehrkörpern sind das schätzungsweise  3.000,
wie eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt (an der die Autoren dieses
Gastbeitrages mitgearbeitet haben). Die besagt auch, dass drei Viertel aller
international durchsetzungsfähigen KI-Patente aus den Vereinigten Staaten stammen. Zusätzlich beheimatet das Land 1.400
Start-ups
, die Lösungen
mit künstlicher Intelligenz anbieten – ebenfalls ein Spitzenwert. China mag
noch nicht ganz so weit sein, doch die in dem Land ansässigen
Technologieunternehmen gleichen die eher schwache heimische Wissenschaft mit
Milliardeninvestitionen in Forschungs- und Entwicklungszentren aus, getrieben vom
KI-Führungsanspruch der Regierung in Peking.

Und Deutschland?

In der Bundesrepublik promovieren schätzungsweise
jährlich gerade einmal 170 Doktoranden im Bereich künstlicher Intelligenz und es gibt nur
etwa 100 Start-ups, die die Technologie einsetzen. Deutschland investiert sogar
jährlich weniger als Länder wie Japan
und Südkorea.
Zwar hat die Bundesregierung in ihrer Strategie zur künstlichen Intelligenz
drei Milliarden Euro für die weitere Entwicklung versprochen. Damit will der
Bund bis 2025 unter anderem 100 neue Professuren schaffen, ein globales
Forschungsnetzwerk sowie einen besseren Transfer von wissenschaftlichen
Ergebnissen in die Wirtschaft fördern. Doch Finanzminister Olaf Scholz soll die
Mittel angeblich auf nur 500 Millionen Euro neue Finanzmittel zusammenstreichen
wollen, der Rest würde dann aus bestehenden Töpfen stammen. So berichtet es zumindest das Handelsblatt.

Das wäre ein Jahrhundertfehler. Zwar befinden wir uns
in Deutschland in einer guten Ausgangslage: Viele Unternehmen spielen in ihrer
Branche international eine Schlüsselrolle und schon seit Jahrzehnten forschen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hierzulande an künstlicher Intelligenz.
Investiert der Bund jetzt aber nicht ausreichend in die Technologie, könnte die
Wirtschaft in der Gegenwart stecken bleiben und künftig von anderen Nationen
abhängig sein. Schon heute gibt es in Deutschland nur einen globalen digitalen Player: SAP. Um ihre Strategie
wirkungsvoll umzusetzen und auf europäischer und globaler Bühne mitzugestalten,
muss die Bundesregierung daher drei Aspekte ohne das so typisch deutsche
Gezetere ausbauen.

Punkt 1: Offen bleiben

Deutschland ist Weltmeister darin, Technologien
schon zu zerreden, bevor sie überhaupt je eingesetzt wurden. Eine konstruktive
Offenheit für neue Technologien wäre wünschenswert. Damit künstliche Intelligenz kein reines
Wirtschaftsthema bleibt – wie es etwa bei Industrie 4.0 allein schon durch
den Terminus der Fall ist –, muss ein breiter Diskurs stattfinden. Der muss die
Sorgen der Menschen abbilden, aber auch zukunftsorientierte Fragen stellen: Wie
sieht unser Alltag mit künstlicher Intelligenz aus? Wie wollen wir das Leben
der Menschen und der Gesellschaft als Ganzes verbessern? Wie nehmen wir die
Menschen auf dem Weg mit? Dafür ist mehr als eine Kommunikationskampagne nötig,
wie sie aktuell in der KI-Strategie vorgesehen ist. Vor allem junge
Menschen müssen sich für künstliche Intelligenz begeistern, mit ihr
experimentieren und lernen dürfen. Nur so werden sie später möglicherweise auch
einmal Unternehmen in diesem Feld gründen.

Zu dieser Offenheit gehört auch, nicht gleich
ganze Forschungsfelder auszuschließen, etwa die Erforschung einer generellen
KI. Solch eine superintelligente Maschine wäre dem Menschen möglicherweise in mehreren
Feldern überlegen, und ja, das mag erst einmal unheimlich klingen. Sie nicht zu
entwickeln, könnte aber eine verpasste Chance sein. Zumal sich die Frage
stellt, warum sich ein Land am Bau eines Supercolliders beteiligt, der es
ermöglicht, das Universum auf kleinster Teilchenbasis zu untersuchen, aber nicht
an einem Superthinker, der zum
Beispiel künstliche Intelligenz, Neurologie, Gehirnforschung und
Gehirn-Computer-Schnittstellen integrieren und unser Verständnis des
menschlichen Gehirns endlich verbessern könnte.

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