Das starke Ergebnis der ÖVP bei der Europawahl bedeutet vor dem geplanten Misstrauensvotum am Montag nach Auffassung der österreichischen Sozialdemokraten keine Entlastung für Bundeskanzler Sebastian Kurz. Dieser sei weiterhin ein Kanzler ohne Mehrheit im Parlament, sagte SPÖ-Geschäftsführer Thomas Drozda im TV-Sender oe.24. Kurz habe es während der Regierungskrise der vergangenen Tage versäumt, eine Vertrauensbasis zur Opposition herzustellen.
Der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer sagte im gleichen Sender, es gebe “eine Tendenz in Richtung Zustimmung zum Misstrauensantrag”. SPÖ und FPÖ haben gemeinsam genügend Stimmen, um Kurz zu stürzen. Die Entscheidung über das Abstimmungsverhalten soll bei den Fraktionssitzungen unmittelbar vor der Debatte am Montag fallen.
Kurz warnte vor einer Zweckkoalition zwischen Sozialdemokraten und Rechtspopulisten mit dem Ziel, seine Abwahl zu erreichen. Im Fall eines erfolgreichen Misstrauensvotums müsste Bundespräsident Alexander Van der Bellen schnell einen Übergangskanzler ernennen. Im September sind in Österreich Neuwahlen geplant.
Der Misstrauensantrag gegen Kurz ist ein Resultat der Regierungskrise, die am 17. Mai mit dem sogenannten Ibiza-Video ihren Anfang nahm. Der heimlich angefertigte Mitschnitt zeigt, wie Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) mit einer vermeintlichen russischen Investorin über möglicherweise illegale Parteispenden und lukrative Staatsaufträge spricht. Auf die Veröffentlichung von Auszügen des Videos durch Spiegel und Süddeutsche Zeitung folgten der Rücktritt Straches von allen politischen Ämtern und das Ende der Koalition von ÖVP und FPÖ.
Die ÖVP kam bei der Europawahl am Sonntag laut Prognosen österreichischer Medien auf rund 34,5 Prozent der Stimmen. Damit liegt sie deutlich vor der SPÖ mit rund 23,5 Prozent. Dahinter folgen die FPÖ mit 17,5 Prozent, die Grünen mit 13,5 Prozent und die liberalen Neos mit 8 Prozent.
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