Am Sonnabend sollten nach dem Willen der NPD 800 Neonazis ins Thüringische Eichsfeld kommen. Es kamen 130. Die Stimmung war mies – nicht zuletzt wegen Alkoholverbots, technischer Probleme und mehrerer Anzeigen.
Der „Eichsfeldtag“ der NPD in Leinefelde wird von Jahr zu Jahr kleiner und unbedeutender. Waren es 2017 noch rund 500 Gäste, kamen in diesem Jahr zum Abschluss des NPD-Europawahlkampfs nur noch 130 Neonazis auf die umzäunte Wiese in Nordthüringen. Selbst 2011, im ersten Jahr des Events, waren es mehr gewesen als in diesem Jahr. Es mag auch daran liegen, dass die Veranstaltungen sich dabei von Jahr zu Jahr gleichen.
Bratwurst, Bier und eine Hüpfburg gehören ebenso zu dem vermeintlichen Familienfest wie die Präsenz von Holocaustleugnern. Die mittlerweile aufgelöste Europäische Aktion war 2017 noch dabei. Jetzt gab es einen Stand, an dem die Freilassung von verurteilten Holocaustleugnern wie Ursula Haverbeck gefordert wurde. Auch die Bands sind immer wieder dieselben.
Rechtsrock und Hitlergruß
Es mag aber auch daran liegen, dass Versammlungsbehörden, Polizei und Zivilgesellschaft das Treffen inzwischen sehr genau beobachten.
Die Szeneband Oidoxie war bereits 2011 dabei und spielte auch dieses Mal wieder. In einem ihrer Songs brüllt die Band „Skinhead“, wobei der Ruf in der Szene seit Jahren gern als „Sieg Heil“ missverstanden wird. Und so zeigte denn ein Teilnehmer dazu zweimal den Hitlergruß – wofür er sofort eine Strafanzeige bekam.
Auf dem Rechtsrock-Event kommt es regelmäßig zu Straftaten. Im Jahr 2011 waren es insgesamt 39, was die Antwort der Thüringischen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage belegt. Dieses Mal waren es aufgrund hoher Auflagen und niedriger Teilnehmerzahl laut Polizei noch drei Verfahren.
In einem Fall wird dabei wegen Nötigung ermittelt: Ein Ordner der Versammlung soll einen Journalisten vom Gelände gedrängt haben. Vorher behaupteten Teilnehmer, der Reporter habe Porträtaufnahmen von einem Kind Thorsten Heises angefertigt.
Einer der mutmaßlichen Angreifer brüstete sich anschließend vor laufender Kamera, er habe eine Anzeige wegen Nötigung erhalten. In einer Rede behauptete der langjährige NPD-Kader Sebastian Schmidtke nach den Attacken, die anwesenden Reporter seien gar nicht echt, sie sollten nach Hause gehen.
Bei einer Begehung des Festivalgeländes unter Polizeischutz versuchten alkoholisierte Besucher, Journalisten anzugreifen. Ordner behinderten Kameraaufnahmen, indem sie sich in den Weg stellten und nach Kameras griffen.
Protest gegen die Neonazis
Im Vorfeld hatte eine Taskforce des thüringischen Landesinnenministeriums empfohlen, die Versammlungsbehörde solle ein komplettes Alkoholverbot verhängen und einen Notschalter installieren, um bei strafrechtlich relevanten Reden das Mikrofon abschalten zu können. Die Verwaltung des Landkreises setzte sich darüber hinweg und ignorierte den Ratschlag. Da die Veranstaltungsfläche aber der Kommune gehörte, konnte diese strengere Auflagen durchsetzen und auch ein absolutes Alkoholverbot verhängen – gegen den Willen des Landkreises.
Das wurmte die Rechtsextremen so sehr, dass sie eine Demonstration für Bier auf ihren Veranstaltungen anmeldeten. Hinter Thorsten Heise, Udo Voigt und einem silbernen Pkw versammelten sich 32 Teilnehmer mit schwarz-weiß-roten Fahnen. Noch bevor die kleine Gruppe loslaufen konnte, spielte die Lautsprecheranlage verrückt. Nach einer halben Stunde Unterbrechung zog man durch die Straßen der sanierten Plattenbauviertel. Ein wütender Anwohner beschwerte sich lautstark: „Verpisst euch!“ Zurück am Veranstaltungsgelände waren noch 29 Teilnehmer übrig.
Ein Bündnis der Leinefelder Zivilgesellschaft organisiert gegen den „Eichsfeldtag“ der NPD seit Jahren Proteste. In diesem Jahr beteiligten sich 140 Menschen daran. Eine Gruppe betrunkener Rechter versuchte, sich auf dem Veranstaltungsgelände der Protestierenden aufzuhalten und wurde von der Polizei zurückgedrängt.
Andere Neonazis versorgten sich in nahen Supermärkten und einer Kneipe mit Alkohol, an einer Bushaltestelle neben dem Veranstaltungsgelände entstand ein größerer Pfandflaschenhaufen. Von dort pöbelten Rechtsextreme gegen die Protestkundgebung. Polizisten versuchten, sie in Gespräche zu verwickeln und zu beruhigen.
NPD auf dem absteigenden Ast
Nicht nur bei Wahlen verliert die NPD an Einfluss, auch ihre öffentlichen Veranstaltungen ziehen offensichtlich kaum noch Publikum an. Verantwortlich dafür sind nicht zuletzt strengere Behördenauflagen. Veranstalter Thorsten Heise konnte bei seinen Events im sächsischen Ostritz zuletzt Teile des Geländes nicht mehr nutzen, weil die Erlaubnis dafür entzogen wurde. Auch dort sind die Teilnehmerzahlen stark rückläufig.
Seit Alkoholverbote ausgesprochen werden und Journalisten die Veranstaltungen intensiv dokumentieren, ist vielen Teilnehmern die Lust vergangen.
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