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Bundeskanzlerin: Auf wen Annegret Kramp-Karrenbauer zählen könnte

Mit ihrer Ankündigung, am Wochenende nach der Europawahl eine Klausurtagung der CDU-Parteiführung einzuberufen, hat CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer Spekulationen ausgelöst. Wird Angela Merkel ihren Platz im Kanzleramt vor der nächsten Bundestagswahl 2021 räumen, um ihrer Wunschkandidatin als Nachfolgerin Platz zu machen? Und wenn ja, wie könnte das funktionieren?

Aus Unionssicht ist klar: Ein vorzeitiger Machtwechsel wäre in jedem Fall wünschenswert. Erstens, weil die Umfragewerte von Kramp-Karrenbauer bereits wieder sinken. Eine weitere Wartezeit könnte sie zusätzlich beschädigen. Zweitens, weil Kramp-Karrenbauer dann mit Amtsbonus in den nächsten Wahlkampf gehen könnte. Und eine Kanzlerin, die erst zwei Jahre im Amt ist, würden die Deutschen vermutlich nicht gleich wieder abwählen.

Positiv wäre es aus Unionssicht zudem, wenn sich der Machtwechsel ohne Neuwahl vollziehen ließe. Denn angesichts der schlechten Umfragen müssten CDU und CSU sonst damit rechnen, dass sie ihr schlechtes Ergebnis der vergangenen Bundestagswahl noch unterbieten.

Eine neue Bundeskanzlerin muss allerdings vom Bundestag gewählt werden. Dazu bräuchte es die Unterstützung entweder der SPD oder der Grünen und der FDP. Wie wahrscheinlich ist das?

SPD:

Die SPD müsste wegen ihrer schlechten Lage eigentlich alles tun, um Neuwahlen zu vermeiden. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass sie sich bereit erklärt, Kramp-Karrenbauer einfach mal so zur neuen Kanzlerin zu wählen. Das hat mehrere Gründe.

Die SPD kann kein Interesse daran haben, dass sich ihre Konkurrentin von der CDU in die bestmögliche Position für den nächsten Bundestagswahlkampf bringt. Außerdem will die SPD nicht den Eindruck erwecken, williger Mehrheitsbeschaffer für die Union zu sein. Die Wählerinnen und Wähler, so die allgemeine Analyse in der Partei, würden die Wahl Kramp-Karrenbauers zur Kanzlerin als weiteren Schritt der SPD in Richtung Beliebigkeit empfinden.

Nach wie vor sucht außerdem ein nicht kleiner Teil der SPD einen Ausweg aus der großen Koalition. Schon im Frühjahr 2018 stimmte ein Drittel aller 440.000 SPD-Mitglieder gegen das Bündnis. Auch in der Parteiführung gibt es Vertreter, die sagen, diese neue große Koalition sei eigentlich noch schädlicher für die SPD als die alte: Denn noch nicht mal die Grundrente oder das Kita-Gesetz – klare SPD-Projekte in der Regierung – haben dazu geführt, dass die Partei in der Wählergunst gestiegen ist. Daher müsse die Conclusio lauten: raus aus der toxischen Umarmung der CDU – und umso besser, wenn die Union den Anlass dafür liefert.

Anfang März haben sich vereinzelte SPD-Politiker im Spiegel festgelegt: Kramp-Karrenbauer bekäme im Fall der Fälle nicht die Stimmen der SPD. “Wir könnten eine solche Machtübergabe definitiv nicht mitmachen”, sagte Juso-Chef Kevin Kühnert damals. Und der Chef des konservativen Seeheimer-Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, sagte: “Das wird niemand in der SPD mitmachen.”

Die Parteiführung kritisierte das Vorpreschen aus den eigenen Reihen damals. “Diese Diskussion finde ich höchstens mittelschlau”, sagte beispielsweise der einflussreiche niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil ZEIT ONLINE. Er gilt als Anhänger der großen Koalition und hofft, dass sie bis 2021 durchhält. Auch andere prominente SPDler vermeiden es, sich in der Frage festzulegen. Von Parteichefin Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz hört man über diese hypothetischen Fragen kein Wort.

Zwar will niemand einen geräuschlosen Austausch der CDU-Kanzlerin. Doch: Eine gute Politikerin sollte sich immer Optionen offen lassen. Schon öfter hat die SPD ihre staatspolitische Verantwortung über parteipolitische Interessen gestellt. Sollte also Wohl und Wehe des Landes von einer Wahl Kramp-Karrenbauers abhängen, Deutschland zum Beispiel vor schweren wirtschaftlichen Verwerfungen stehen oder die Union der SPD ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen kann, wäre die Partei wohl dabei. Doch selbst wenn die Parteiführung verspricht, Kramp-Karrenbauer zur Kanzlerin zu wählen, könnte es in der SPD-Fraktion einige Gegenstimmen geben.

Grüne:

Offiziell hat die Parteispitze bisher nie ausgeschlossen, Kramp-Karrenbauer auch ohne vorhergehende Neuwahlen zur Kanzlerin zu wählen. “Damit beschäftigen wir uns nicht”, sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner ZEIT ONLINE. Man gehe davon aus, dass die Koalition halte, da CDU und SPD sich an die Macht klammerten “wie Faultiere sich im Regenwald an Bäume”.

Offensichtlich ist aber: Wollen können die Grünen einen Machtwechsel ohne Neuwahl nicht selbst wenn er sie in die Regierung brächte. Schließlich erzielten sie bei der vergangenen Bundestagswahl nur 8,9 Prozent, in einer Jamaika-Koalition wären sie unter den gegenwärtigen Verhältnissen der kleinste Partner. In den Umfragen liegen die Grünen dagegen seit Monaten bei knapp 20 Prozent. Nach einer Neuwahl würde die FDP als Koalitionspartner in einem Bündnis mit der Union also eventuell gar nicht mehr benötigt, was wiederum die Rolle der Grünen stärken würde.

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