Dieser Tage treffen in Paris Biologinnen, Politiker, Diplomatinnen und Umweltschützer, um auf der IPBES-Konferenz zu beraten, wie sich das Artensterben aufhalten lässt. Es geht um große Themen, wie das weltweite Insektensterben, die Ökosysteme der Meere und den Verlust von Lebensraum für Tieren und Pflanzen überall auf der Erde. Eines Spezies, die vor allem vom Tierschmuggel bedroht ist, ist das Pangolin. Eine Tierschützerin hat uns erklärt, was dieses Schuppentier so besonders macht – und so schützenswert.
ZEIT ONLINE: Frau Diekmann, wissen Sie eigentlich, dass Sie eine Legende sind?
Maria Diekmann: Wieso?
ZEIT ONLINE: Als erster Mensch haben Sie die Geburt eines Schuppentiers beobachtet – in ihrem Schoß. Heißt es zumindest. Ist die Geschichte wahr?
Diekmann: Allerdings. Und sie hat mein Leben verändert. Das war vor rund drei Jahren. Genau genommen war es das Schuppentier Roxy. Sie war von einem Wilderer gefangen und auf dem Schwarzmarkt zum Kauf angeboten worden. Über Bekannte erfuhr ich davon und beschloss, sie aufzunehmen. Als sie zu uns kam, hatte sie fünf Tage in einem Kasten verbracht. Sie war unterernährt, dehydriert und stark verängstigt. Aber als ich sie aus der Box ließ, baute sie sofort eine Verbindung zu mir auf.
Der Plan war, Roxy schnellstmöglich mit einem Sender auszustatten und in die Wildnis zu entlassen. Doch es sollte vier Tage dauern, bis die Technik zur Verfügung stand. Als ich am zweiten Tag nach ihr sah, kletterte Roxy in meinen Schoß. Ich spürte, wie noch etwas hineinfiel, sah nach unten und erschrak: eine Schlange! Doch dann schaute ich genauer hin und erkannte, dass es sich um ein Neugeborenes handelte, das über die Nabelschnur noch mit der Mutter verbunden war. Verrückt, einfach verrückt. In dem Moment war es um mich geschehen, alles in mir sagte: Du musst diese Wesen beschützen.
ZEIT ONLINE: Ihre Tierschutzorganisation hatte Schuppentiere als eine der Forgotten Five, der vergessenen fünf Arten Namibias, damals schon auf der Agenda. Viel Aufmerksamkeit hatten sie Pangolinen, wie die Tiere auch heißen, aber nicht geschenkt.
Diekmann: Das muss ich zu meiner Schande gestehen. Wir sind eine kleine Organisation und haben uns zuerst vor allem um den bedrohten Kapgeier gekümmert. Jetzt aber bin ich Schuppentieren geradezu verfallen. Nach drei gemeinsamen Monaten hat Roxy ihren Nachwuchs in meiner Obhut gelassen. Ich habe Katiti großgezogen und später in die Wildnis entlassen. Nun ziehe ich ein zweites Jungtier groß. Honey Bun lebt seit gut einem Jahr bei mir, schläft sogar in meinem Bett.
ZEIT ONLINE: Klingt nicht sonderlich wild.
Diekmann: Das Verhalten ist ungewöhnlich. Schuppentiere sind eigentlich sehr scheu. Aber sie scheinen auch sensibel und klug zu sein. Ein Beispiel: Katiti und Honey Bun haben mich als ihre Mutter akzeptiert. Ich will nicht, dass sie in meinem Bett schlafen, aber sie haben beide unabhängig voneinander den Weg dorthin gefunden. Sie haben gelernt, die Schubladen meines Nachtschränkchens so aufzuziehen, dass sie eine Treppe bilden.
ZEIT ONLINE: Auf der Artenschutzkonferenz in Johannesburg sind Schuppentiere gerade ein großes Thema. Vor wenigen Jahren noch kannte sie niemand. Woher kommt das Interesse?
Diekmann: Vor ungefähr drei Jahren haben Behörden und Organisationen den Kampf gegen Elfenbein- und Nashornhandel intensiviert. Fast immer fanden sie auf ihrer Suche nach der Schmuggelware Schuppentiere. Naturschützer waren alarmiert. Jedermann bekannt gemacht aber hat sie der britische Prinz William, der in einem Video von bedrohten Tieren Afrikas sprach. Er hob drei hervor: Elefant, Nashorn und Pangolin. Also fingen alle an, zu googlen, denn: Was zur Hölle ist ein Pangolin? Unabhängig davon hieß es kurz darauf in einem Statement der IUCN: “Schuppentiere sind die meistgehandelten Tiere der Welt.” Dieser Satz hat mehr für Pangoline getan, als alles, was wir Einzelne hätten tun können.
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