Der künftige ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russen einen ukrainischen Pass in Aussicht gestellt. Damit reagierte er auf ein ähnliches Vorgehen von Russland. “Wir werden die ukrainische Staatsbürgerschaft Vertretern aller Völker geben, die unter autoritären und korrupten Regimen leiden. In erster Linie Russen, die heute wohl am meisten leiden”, sagte Selenskyj. Im Unterschied zu Russland gebe es in der Ukraine die Meinungsfreiheit, freie Medien und freies Internet. “Daher wissen wir wunderbar, was der russische Pass wirklich gewährt.”
Vergangenen Mittwoch hatte der russische Präsident Wladimir Putin ein Dekret unterzeichnet, wonach Bürger und Bürgerinnen im Osten der Ukraine leichter russische Staatsangehörige werden können. Wer einen russischen Pass erhält, soll demnach auch Anspruch auf Rente und Sozialhilfe haben. Putin hatte sogar erwogen, die Erleichterungen bei der Vergabe auf die gesamte Ukraine auszuweiten. Die Regierung in Kiew hatte auf die Ankündigung mit Protest reagiert. Der ständige
Vertreter der ukrainischen Regierung beim Europarat, Dmytro Kuleba,
hatte getwittert, Russland plane eine “weitere Eskalation”.
Ob Selenskyj sein Vorhaben jedoch umsetzten kann, ist unklar. Das
ukrainische Parlament hatte vergangenen Donnerstag ein Sprachgesetz
verabschiedet. Demnach sind Kenntnisse der ukrainischen Sprache
Voraussetzung für eine Einbürgerung.
Viele Menschen in der Ukraine sprechen jedoch nur russisch. Selenskyj
hatte angekündigt, das Gesetz bei Amtsantritt prüfen zu wollen. Er hat
bisher im Parlament kaum Unterstützer.
Selenskyj offen für Gespräche mit Russland
Der am 21. April zum Präsidenten gewählte Selenskyj hatte unmittelbar nach seinem Wahlsieg vor einer Woche neue Impulse für den Friedensprozess im Osten des Landes angekündigt. Er zeigte sich offen für Gespräche mit seinem russischen Amtskollegen Putin über die
Lage im umkämpften Osten des Landes. “Ich hoffe, dass Russland beim
nächsten Normandie-Treffen seine Bereitschaft zur Deeskalation unter
Beweis stellen wird”, sagte er. “Ich möchte noch einmal
betonen, dass ich zu Verhandlungen bereit bin.”
Der russische Präsident hatte gesagt, er wolle im Falle eines
Gesprächs mit Selenskyj zuerst mit ihm über die Situation in den
Separatistengebieten reden. Es müsse in erster Linie darüber gesprochen
werden, wie der Konflikt gelöst werden könne.
Die Beziehungen zwischen den Nachbarländern Russland und der Ukraine
sind seit Jahren stark belastet. Russland hatte 2014 die ukrainische
Halbinsel Krim annektiert und unterstützt außerdem separatistische
Kämpfer im Osten des Landes. Als einen Grund für sein Handeln führte
Russland den Schutz russischer Minderheiten in der Ukraine an. Seit
Beginn des Konflikts wurden rund 13.000 Menschen getötet.
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