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Jugendweihe: Mein DDR-Ding

Unsere Autorin ist nach dem Mauerfall geboren. Ihre Jugendweihe feierte sie trotzdem. Wie kann es sein, dass diese Tradition der DDR so selbstverständlich weiterlebt?

Vor Kurzem war ich mit Freunden in einem Museum zur DDR-Geschichte. Es gab in der Ausstellung ein paar Infotafeln über die Jugendweihe. Meine Freunde lasen fasziniert, ich kommentierte im Vorbeigehen: “Das hatte ich auch.” Ihr Blick wechselt zwischen den Museumswänden und mir. “Wie? Das ist doch so ein DDR-Ding?”

Mit 14 Jahren, 20 Jahre nach dem Mauerfall, hatte ich mein DDR-Ding, meine Jugendweihe. Der feierliche Start ins Erwachsenenleben. Gedanklich wurde ich monatelang, wenn nicht sogar jahrelang, durch die Prophezeiungen meiner Verwandten vorbereitet. Meine Mutter zeigte mir die Fotos ihrer Jugendweihe, den Ring, den sie von ihren Eltern geschenkt bekommen hatte. Bei meinem 13. Geburtstag sagte sie an der Kaffeetafel: “Nächstes Jahr, da bist du schon 14, da hast du deine Jugendweihe. Dann geht langsam der Ernst des Lebens los.”

Als mein Jahr kam, gab es in meiner Klasse eine Infoveranstaltung zur Jugendweihe. Ich füllte den Anmeldeschein aus, meine Eltern unterschrieben und zahlten die Gebühr an den Jugendweiheverein, der offizielle Veranstalter in Mecklenburg-Vorpommern. Etwas über 100 Euro dafür, dass ich am Jugendweihetag an der Feierstunde teilnehmen und meine Eltern, Omas, Tanten, Onkels, Cousins zugucken und mich fotografieren durften. Dafür, dass mein Name auf der Bühne aufgerufen wurde, ich Blume, Urkunde und Jugendweihebuch bekam. Und für die Freizeitangebote zur Jugendweihe: Wir fuhren zur Gedenkstätte des ehemaligen Frauen-Konzentrationslagers in Ravensbrück und besuchten die Druckerei unserer Lokalzeitung.

Damals fand ich die Jugendweihe normal. Sie war eingeplant in meine Biografie. Genauso selbstverständlich wie die Jugendweihekarten, die in der Buchhandlung neben denen für Geburt, Hochzeit und Trauerfeier stehen.

Ich trug das erste Mal Hakenschuhe, stieß das erste Mal mit Sekt an

Fast alle aus meiner Klasse und Parallelklasse nahmen teil. Außer ein paar Schüler, deren Eltern aus dem Westen kamen. Sie wurden konfirmiert oder gefirmt. Es gab noch ein paar andere Ausnahmen, die ich an zehn Fingern abzählen konnte. Kinder von Eltern, die religiös (geblieben) waren, wenige im Osten. Manchmal war ich neidisch auf sie. Die Konfistunden hörten sich nach Spaß an.

Die Jugendweihe war für mich etwas Besonderes: Ich verschickte Einladungen, die ich mit eingescannten Kinderfotos selbst entworfen hatte. Ich suchte das perfekte Kleid aus, ging am Morgen der Jugendweihe zum Friseur, trug das erste Mal Hakenschuhe, stieß das erste Mal mit Sekt an. Mama hielt eine Rede für mich, der Garten war voller Gäste, der Briefkasten voller Gratulationskarten (mit Geld!). Als alles vorbei war, verschickte ich Dankeskarten.

Nach der Jugendweihe fragten uns die Lehrer, ob sie uns weiter duzen dürfen. Manche gingen einfach zum “Sie” über. Mit meinem Jugendweihegeld kaufte ich mir gleich am Montag danach ein Handy zum Aufschieben, endlich.

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