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Abgasskandal: Drei Männer und ihr Diesel

Der Mann, der sich für Spaltmaße und Lackierungsdicke mindestens so sehr
interessierte wie für den Tabellenstand des FC Bayern München, kokettierte für sein Leben gern
mit seiner Liebe zum Detail. “Ich kenne jede Schraube bei unseren Autos”, sagte Martin Winterkorn schon als Audi-Chef. Von dort ging es für ihn nur nach oben. Als
Vorstandsvorsitzender führte er den VW-Konzern 2012 zu sagenhaften 22 Milliarden Euro
Jahresgewinn. Nach Steuern. Selbst die Bundeskanzlerin interessiere sich “sehr” für
Volkswagen, erzählte Winterkorn stolz. Für Ärger sorgte höchstens sein exorbitantes Gehalt von
über 15 Millionen Euro.

Dann kam der Abgasskandal. Und plötzlich interessierte sich weniger die Kanzlerin für ihn, als die Staatsanwaltschaft. Steiler ist selten ein Vorstandschef in Deutschland abgestürzt, und seit Montag steht fest: Winterkorn könnte am Ende noch tiefer fallen. Und damit nicht genug. Auch dem Winterkorn-Zögling und langjährigen Audi-Chef Rupert Stadler droht schon bald der Prozess. Er saß zeitweilig sogar in Untersuchungshaft und beteuert seine Unschuld.

Selbst dem Konkurrenten Daimler, dessen Manager sich gerade an Formel-1-Siegen berauschen, drohen noch Milliardenstrafen. Das Image jenseits der Rennstrecke ist im Keller. Der scheidende Chef Dieter Zetsche muss gerade unangenehme Fragen des Kraftfahrt-Bundesamtes von seinen Mitarbeitern beantworten lassen. Bereits im Vorjahr musste der Konzern 700.000 Autos auf Anordnung der Behörde zurückrufen. Der von Daimler bestrittene Vorwurf: In ein bestimmtes Geländewagenmodell sei eine illegale Abschalteinrichtung eingebaut worden.

Der Glaube, dass die deutsche Justiz – anders als die amerikanische – die heimischen Automanager bei der Aufarbeitung des Dieselskandals schont, könnte sich als großer Irrtum erweisen. Besonders deutlich wird das im Falle Winterkorn. Bis zu zehn Jahre Haft drohen dem einstigen Herrscher über zwölf Automarken, sollten sich die Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft Braunschweig vor Gericht erhärten.

Martin Winterkorn droht neben einer Haftstrafe der Verlust von Millionenboni

Die Ermittler werfen ihm und vier weiteren namentlich nicht genannten Angeschuldigten besonders schweren Betrug und einen “Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb” vor. Winterkorn wird auch der Untreue bezichtigt, weil er es nach Mai 2014 unterlassen habe, den Betrug mit rechtswidrig manipulierten VW-Dieseln offenzulegen und den weiteren Vertrieb zu untersagen.

692 Seiten umfasst allein die Anklageschrift, auf die Winterkorns Anwälte nun reagieren können. Die Staatsanwälte betonen, dass Winterkorn nicht – wie es der Manager immer wieder betonte – erst im September 2015 Kenntnis vom Dieselbetrug erlangte, sondern mindestens in jenem Mai 2014. Auf rund 75.000 Seiten hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig den “hinreichenden Tatverdacht” gegen Martin Winterkorn und die andereren Beschuldigten dargelegt. Dabei genügen womöglich schon drei Seiten aus diesem Konvolut, die Martin Winterkorn zum Verhängnis werden könnten.

Es ist eine Aktennotiz, die Winterkorn in seine sogenannte Wochenendpost gelegt wurde. Er nahm solche Informationen in Aktenkoffern mit aus Wolfsburg in seine Villa nach München.

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