Theresa May ist gescheitert, der Brexit ist zum
zweiten Mal verschoben worden. Ob er überhaupt stattfindet, ist fraglich. Ein
anderer britischer Premierminister hätte fast alles anders (und besser)
gemacht, heißt es in diesen Tagen oft sehr schnell. Aber stimmt das?
Klar
ist: May hat nicht erreicht, was sie sich vorgenommen hatte. Von einer
starken und stabilen Regierung kann keine Rede sein. Statt Großbritannien nach
erfolgreichen Verhandlungen aus der EU zu führen, fährt die Premierministerin –
politisch schwer angeschlagen – immer wieder als Bittstellerin nach Brüssel.
Das Volk ist empört, die Gesellschaft gespalten, das Parlament blockiert sich
in offener Rebellion. Jüngste Umfragen (ironischerweise zur Europawahl) zeigen
die Konservative Partei weit abgeschlagen hinter Labour, die radikale Rechte
mit Ukip und der Brexit-Partei mit kräftigem Zuwachs.
Aber das
ist nicht allein Mays Schuld. Es liegt auch am Widerspruch des Brexits
schlechthin: Ein harter Brexit ist wirtschaftlich schädlich, ein weicher Brexit
sinnlos. Was sagt man über den Brexit mittlerweile? “You can‘t fix stupid.”
Unter
diesen Voraussetzungen hat May konsequent gehandelt, wenn man sie durch die
Brille der Parteipolitik betrachtet. Wer davon ausgeht, sie handele als
Premierministerin im nationalen Interesse, wie es idealerweise sein müsste, kommt zu falschen Schlüssen. Ihr
Ziel ist ein anderes: die Partei vor der kompletten Spaltung bewahren.
Mays
persönliche Eigenschaften machen sie freilich zu einem besonderen Fall. Drei
Institutionen geben ihr moralische Werte und Handlungsanleitungen vor, denen
sie – definitionsgetreu – folgt: Ehe, Kirche, Partei. Diesen Institutionen
“dient” sie, pflichtbewusst und gewissenhaft bis zur Aufopferung. Mays Ehemann
Philip ist seit Jahrzehnten ihre Stütze, die Kirche ist es ebenso, die Partei
ist es. Wer hier Flexibilität erwartet, wird enttäuscht.
May wollte die Partei retten
Für May
zählen bis heute allein die 52 Prozent des Volkes, die für den Brexit
gestimmt haben. Insgesamt 61 Prozent der konservativen Wählerinnen und Wähler waren für den Austritt.
Da spielen die 48 Prozent EU-Anhänger für sie keine Rolle. May
selbst hat Politik und Gesellschaft in jene aufgeteilt, die “rechtschaffen” den
Brexit umzusetzen versuchen, und jene, die diese Idee “vereiteln” und
“verraten”. Das war Gift für die Gesellschaft. Es rächt sich mit moderaten
Abgeordneten, die aus ihren Ämtern getrieben werden, zeigte sich in einem
Rechtsruck der Partei.
Die aber war
ohnehin schon in einem gefährlichen Zustand, zerstritten nach der unsachlich
geführten Volksabstimmung im Sommer 2016. Der Brexit sollte die Partei
zusammenhalten, brachte aber gleichzeitig eine neue Sprengkraft hinein. May
wusste, dass ein Teil der Partei eine Einigung mit der EU anstrebte, die Hardliner
aber einen radikalen Bruch mit der EU favorisierten. Um als
Parteivorsitzende und Premierministerin zu überleben, musste May beide Seiten
so lange wie möglich zufrieden stellen, ohne sich auf eine Seite zu schlagen.
Hätte sie anders gehandelt, wäre sie schon früher über ein Misstrauensvotum
abgesetzt worden.
Noch
schwieriger war Mays Situation im Parlament: Dem Oppositionsführer Jeremy Corbyn ging es in den vergangenen drei Jahren ausschließlich darum, sie und die
Konservativen zu schwächen, um mit Labour letztlich selbst an die Macht zu kommen.
An einen parteiübergreifenden Konsens war also auch nicht zu denken. Dass der
Streit im Parlament und die Unsicherheit über den Brexit schlecht für die
Wirtschaft sein könnten, war für beide Seiten sekundär.
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