Fettes Brot sind drei Männer Mitte 40, die jeden Dienstagabend Telefonstreiche spielen. Damit ist die Band aus Hamburg so erfolgreich, dass sie sich um die Adressaten ihrer Streiche gar keine Gedanken mehr machen muss. Im Rahmen einer Radiosendung rufen die Opfer selbst bei Fettes Brot an, stellen eine blöde Frage und kriegen eine noch blödere Antwort. Weil es viele Menschen sind, die da anrufen, und noch mehr, die zuhören, hat irgendein Verlag die ganzen Gespräche zusammengeschrieben und ein Buch aus ihnen gemacht. Es heißt Was wollen wissen, ist vor kurzem erschienen und schon jetzt für 1,99 Euro bei Medimops erhältlich (+ 3 Euro Versandkosten; Zustand: gebraucht – sehr gut).
Warum macht eine Band so etwas, die bald 30 Jahre deutsche Hip-Hop-Geschichte hinter sich hat? Vielleicht, weil sie es nicht selbst machen muss. Vielleicht auch, weil es jung hält. Altern mit Rap und Altern im Rap sind jedenfalls Schlüsselthemen bei Fettes Brot 2019, das steht nicht nur zwischen den Zeilen von Was wollen wissen, einem Buch, bei dem schon der Untertitel Radschläge aus der Wortspielhölle auf die eigene, spezifisch hamburgische Hip-Hop-Haftigkeit verweist. Das Altern gibt auch Lovestory eine Richtung, dem neunten Album von Fettes Brot, das mit dem Song Ich liebe mich beginnt, einer Ode an die eigene Onkeligkeit.
Fettes Brot listen darin die unzähligen Manifestationen ihres Abgehängtseins auf, um anschließend zu betonen, wie gut sie sich damit fühlen. Nach dem Motto: Wir sind so dermaßen in on the joke, dass er schon gar nicht mehr auf unsere Kosten geht, sondern auf Kosten der Leute, die uns für abgehängt halten. Kann man machen. Was man nicht machen kann, sind der zugehörige Trötenbeat und die mehrfache Bezugnahme auf den ZDF-Hitparaden-Evergreen Ich liebe dich. Nur ein falscher Twitter-Trottel mit 20.000 Followern muss darauf anspringen, und schon haben wir ein Revival der Leidensmänner-Rockband Clowns und Helden an der Backe.
Hamburger Rapper lieben Hamburger Deutschrocker, das war schon bei Jan Delay und Udo Lindenberg so. Und wenn Fettes Brot eins können, dann effektiv mit Geschmacksverirrungen flirten. Die zweite Hälfte der Karriere von Boris Lauterbach, Martin Vandreier und Björn Warns basiert auf dem Versuch, ehrenwerte Haltungen in hauptbühnentaugliche Festivalmusik zu verpacken. So sind Hits entstanden wie Schwule Mädchen (gegen Homophobie im Hip-Hop), Emanuela (gegen zu viele Partydrogen) und Bettina, zieht dir bitte etwas an (gegen, äh, DSDS? Youporn?). Gemeinsam haben sie nicht nur eine flexible Vorstellung von Deutschrap – sondern auch ihre Unerträglichkeit im zurechnungsfähigen Zustand.
Lovestory ist nun die nächste Eskalationsstufe, ein ganzes Album von Fettes Brot nach dem Konzept ihrer größten Charterfolge. Jedes der elf Lieder behandelt einen anderen Liebesaspekt: die oben erwähnte Selbstliebe, die schwule Liebe von Opa + Opa, die virtuelle Liebe zu einem Robot Girl, die notgeile Liebe für Geile Biester, die freundschaftliche Liebe der eigenen Crew undsoweiterundsofort. Jedes der elf Lieder versteht sich außerdem als Hit für die ebenfalls oben erwähnten Festivalbühnen. So ist der Song Klapse etwa trotz schwerer Thematik (die Liebe zu einem depressiven Menschen) als Eurodance-Aufdreher zum Mitklatschen und -klapsen gedacht.
Hits: 16



















