Ich bin Mareice und ich kann nicht mit Geld umgehen. Konnte ich irgendwie noch nie. Und das möchte ich endlich ändern. Vor allem, seitdem ich Mutter bin. Ist Geld Macht? Oder zumindest mit Macht verbunden? Das möchte ich herausfinden. Deshalb mache ich eine Geld-Aufstellung. Klingt komisch? Ja, das finde ich auch.
„Das Angebot richtet sich an Frauen, die ihre Beziehung zu Geld bewusst ändern wollen“, stand auf der Internetseite. Und: „Ein leichter, unbeschwerter Umgang mit Geld kann aus einer geklärten Geldbeziehung entstehen.“ Das klingt gut – leicht und unbeschwert. Bisher war meine Beziehung zu Geld das Gegenteil. Und jetzt möchte ich das ändern.
Bei systematischen Aufstellungen geht es darum, Beziehungen sichtbar zu machen. Ausgewählte Personen werden im Raum aufgestellt und befragt, wie sie sich in ihrer Position fühlen. Nach einem kurzen Gespräch stelle ich Personen für meine Angst, meinen Selbstwert und meine Lebendigkeit auf. Ganz intuitiv weiß ich für jede Person ihren Platz. Die Aufstellungsleiterin sagt zu der Person, die mich darstellt, sie soll einen Satz sagen: Ich bin eine EC-Karten-Besitzerin. Sie schafft es nicht. Sie sagt, sie bekomme eine Gänsehaut. Ich sitze daneben und grinse. Weil ich es kenne.
Geld ist einfach nur da?
Am Ende der Aufstellung kann ich die Person, die das Geld darstellt, sympathisch finden. Die Aufstellungsleiterin sagt, Geld ist nicht gefährlich, sondern einfach nur da. Auf dem Nachhauseweg denke ich über diesen Satz nach. Wenn Geld einfach nur da ist, liegt es vielleicht an mir, was ich damit mache – und was das Geld mit mir macht?
Ich treffe Natascha Wegelin, sie arbeitet als Coachin für finanzielle Unabhängigkeit von Frauen. „Geld macht gar nichts, Geld trifft keine Entscheidungen, die Entscheidungen treffe ich“, sagt Natascha. „Geld macht nicht glücklich, befreit aber von Sorgen“, findet Natascha. Wenn Geld glücklich macht, stellt sich mir die Frage: Wie kommen wir an Geld?
Geld macht nicht glücklich, befreit aber von Sorgen.
Natascha Wegelin
Natascha meint, es komme dabei auf uns selbst an. In Zeiten des Internets, sagt sie, gäbe es keine Ausreden mehr, den eigenen Markt- und Mehrwert nicht zu erhöhen. Aber haben wir wirklich die gleichen Startbedingungen? Merkmale wie Geschlecht, soziale und ethnische Herkunft, Behinderungen, Bildungshintergrund, Religion oder Weltanschauung oder die sexuelle Identität beeinflussen unsere Chancen. „Es ist nicht für jeden gleich leicht, es ist für alle scheiße schwer“, sagt Natascha und findet aber weiterhin, dass das eigene Glück bei jeder Person selbst liege.
Wir landen während unseres Gesprächs beim Merkmal Geschlecht. Natascha kennt viele Glaubenssätze und sagt, es gäbe viel mehr typisch weibliche Glaubenssätze, was das Thema Geld angeht. „Ein erster Schritt für Frauen ist es, aus diesen Glaubenssätzen auszubrechen“, sagt Natascha. Ein Weg sei es, Glaubenssätze umzukehren. Am Beispiel meines Glaubenssatzes „Menschen mit viel Geld sind schlechte Menschen“ besprechen wir diese Strategie. Ist es wirklich so, dass jeder Mensch mit Geld ein schlechter Mensch ist? Ich schüttele den Kopf. Nein, ziemlich sicher ist das nicht so. „Du hast dein ganzes Leben lang für deinen Glaubenssatz Beweise gefunden – jetzt geht es darum, Beweise für die Umkehrung zu finden“, gibt mir Natascha als Tipp mit auf den Weg.
„Du musst das Geld einfach nur wollen“, ist mir irgendwie zu einfach. Ja, mein seltsames Verhältnis zu Geld hat bestimmt auch etwas mit mir selbst zu tun und, ja, Frauen gehen noch immer mit weniger Geld aus Verhandlungsgesprächen heraus und, ja, der Gender-Pay-Gap ist ein Fakt. Aber, dass das nur an mir liegen soll?
Wer in Deutschland weniger als 12.726 Euro im Jahr verdient, gilt als armutsgefährdet. Im Jahr 2016 waren in Deutschland 19,7 Prozent aller Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Eine von ihnen ist Susanne Triepel, die ich in Berlin-Mitte treffe. Die Mutter eines elfjährigen Sohnes hat gerade einen neuen Job als Eventmanagerin angefangen und öffnet mir mit Elan und einem Lächeln die Bürotür. Wir setzen uns in einen Konferenzraum und sprechen über Zeiten in ihrem Leben, in denen es anders aussah.
Machtlosigkeit ab dem zwanzigsten des Monats
„Machtlos habe ich mich gefühlt, als ich einen Job verloren habe, über den ich mich sehr definiert habe. Machtlosigkeit fühlte ich regelmäßig rund um den zwanzigsten des Monats“, sagt Susanne. Sie erzählt mir davon, wie es war, kein Geld mehr zu haben. Auch nicht 2,80 Euro für ein BVG-Ticket. Und wie es ist, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, von der man nicht leben kann. „Es ist frustrierend, wenn du wirklich nichts ausgegeben hast, außer für die existenziellen Dinge des Monats wie Miete, Strom, Gas, BVG-Ticket, Lebensmittel, das wichtigste an Kleidung – und damit meine ich nicht, dass man sich einen flotten Pencil-Skirt von einem angesagten Designer shoppt – sondern, dass man ein paar warme Winterschuhe für sein Kind kauft“ – und danach ist kein Geld mehr da. Susanne findet irritierend, wie Menschen mit Geld darüber reden, dass Leute mit wenig Geld auskommen müssen. „Nein, 2,80 Euro hat man eben manchmal auch einfach nicht“, weiß Susanne.
Susanne ist offen und ehrlich, auch mit sich selbst. Das ist keine Selbstverständlichkeit beim Thema Geld. Über Geld spricht man nicht, haben wir alle schon mal gehört. Und vor allem spricht man nicht über Armut. Das Thema ist nach wie vor mit Scham behaftet. „Aber die habe ich verloren“, sagt Susanne. „In unserer Kultur gilt ja nach wie vor, dass du durch Arbeit zu Wohlstand kommst (…) und das stimmt einfach nicht“, weiß die Eventmanagerin. Wir sprechen über das erhöhte Armutsrisiko von Alleinerziehenden, Hartz IV und den Ausbau des Niedriglohnsektors in Deutschland. „Eine Erwerbsarbeit zu haben ist keine Garantie mehr dafür, dass du nach dem zwanzigsten des Monats klarkommst“, sagt Susanne.
Eine Erwerbsarbeit zu haben ist keine Garantie mehr dafür, dass du nach dem zwanzigsten des Monats klarkommst.
Susanne Triepel
Einen leichten und unbeschwerten Umgang mit Geld habe ich mir gewünscht. Für mich selbst – und vor allem für mich in meiner Rolle als Mutter. An diesem Punkt bin ich noch lange nicht. Eher sogar das Gegenteil ist der Fall. Wie soll der Umgang mit etwas, das so ungerecht verteilt ist, leicht und unbeschwert sein? Wahrscheinlich geht das nur, wenn man es hat, das Geld. Und damit auch die Macht.
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