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Sahra Wagenknecht: Sie ist weg und das ist auch gut so

Am Anfang der linken Sammlungsbewegung Aufstehen, aus deren Spitze sich Sahra Wagenknecht nun zurückzieht, wurde erst einmal ordentlich gespalten. Als “Aufbruch aus dem Elfenbeinturm” labelten die linken Politikerinnen Sevim Dağdelen (Linke), Marco Bülow (damals noch SPD) und die grüne Veteranin Antje Vollmer die gemeinsame Sache im August 2018 in einem Gastbeitrag für Spiegel Online.

“Elfenbeinturm”, das muss man dazu wissen, ist auch auf der rechten Seite des politischen Spektrums eine beliebte Schmähung. Im Elfenbeinturm werden all jene Linken verortet, die sich
augenscheinlich mehr Gedanken über den Schutz von Minderheiten machen als über die materiellen Interessen urdeutscher
Geringverdiener. Anders gesagt: die häufiger über Gendersternchen diskutieren als über den Mindestlohn. Nicht zuletzt ihnen galt in dem Beitrag von Dağdelen, Bülow und Vollmer eine Warnung vor der Stimme der “Hoffnungslosen” im Land: “Sie wird entweder auf demokratische Weise Druck auf die festgefahrenen Strukturen in Politik, Wirtschaft und Medien ausüben – oder ihre Vertreter werden sich weiter in Richtung rechter Extreme orientieren.”

Diese Warnung erinnerte an vieles, was auch Sahra Wagenknecht in den Jahren seit 2015 artikuliert hat. Das Problem nur: Bei ihr klang das legitime Ansinnen, zwischen allen identitätspolitischen Grundsatzfragen und im Angesicht der Flüchtlingskrise die ökonomisch benachteiligten Deutschen nicht zu vergessen, immer wieder wie Verständnis für rassistische Reflexe, oder auch mal: wie der Reflex selbst.

Dass man “natürlich” mit Pegida reden müsse, sagte Wagenknecht schon 2015. Schließlich gebe es “eine Reihe von Leuten, die da hingehen, weil sie die herrschende Politik ablehnen, weil sie empört sind über prekäre Jobs und miese Renten”. Später sprach Wagenknecht mit Bezug auf Flüchtlinge von “Kapazitätsgrenzen”, nannte das Asyl- ein “Gastrecht”. Es gab nicht wenige, die sie da beim Schmieden einer Querfront zwischen einer populistischen Rechten und einer ebenso populistischen Linken wähnten.

Als Integrationsfigur vollkommen ungeeignet

Taktisch kann man alles, was Wagenknecht in dieser Zeit gesagt und getan hat, überaus vernünftig finden. Gesetzt dem Fall, man glaubt noch daran, der extremen Rechten durch Nachahmung oder zumindest Übernahme ihrer Themen und emotionalen Framings schaden zu können. Aber: Wer das Innere einer Nation in den Mittelpunkt seines Denkens stellt und Verständnis für all jene Pegida-Klatscher zeigt, die erklärten Hass gegen Linke mindestens tolerieren und decken, ist als linke Integrationsfigur vollkommen ungeeignet. Zumal sich mit der Warnung vor der rechten Konkurrenz eine äußerst autoritäre Diskursformation ergibt: Mach mit bei uns – oder du bist schuld, wenn die AfD noch stärker wird!

Dementsprechend bedeutet der Rückzug von Wagenknecht bei Aufstehen auch nicht das Ende der Bewegung. Die war mit Wagenknecht von Anfang an am Ende. Eine etwas weniger zerstrittene Linken aber, in der nicht krampfhaft ein Gegensatz zwischen Minderheitenschutz und Armutsbekämpfung beschworen wird, ist mit dem heutigen Tag wieder etwas realistischer geworden. Vielleicht findet sich in den Reihen der überrumpelt zurückgelassenen Aufstehen-Spitze ja jemand, der die Sache entsprechend umwidmen und aus der bisherigen Spaltungsbewegung eine echte Sammlungsbewegung machen möchte. Vielleicht ist die Angst davor, im Elfenbeinturm zu landen, aber auch zu groß.

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