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Oscars 2019: Ein Kleid im Anzug

Bis vor Kurzem hätte eine
Männermodestrecke über die Oscars der Dokumentation über eine
Pinguinkolonie geglichen, die geschlossen ausgeht: glänzender schwarzer Rücken, weiße Brust, stocksteife Pose. Maximal
wurde zum Smoking ein schwarzes Hemd kombiniert. Zu den 91.
Academy Awards kam es ein bisschen anders: farbenfroher, überraschender, weniger konform – und das
tatsächlich bei der Männermode.

Lassen wir einmal beiseite, dass von
Helen Mirren bis Sarah Paulson sehr viele Frauen in pinkfarbenen
Tüllmassen aufgelaufen sind, dass die
Riesenschleife oder die asymmetrische Rüsche, die aus jedem Kleid eine
Geschenkverpackung macht, in diesem Jahr wieder populär war,
ebenso wie die klassische Sanduhrsilhouette, schulterfrei und
korsettiert. Bei den
Oscars lautet die wichtigste Information zu Frauen, die
Hauptrollen spielen, die gleiche Gagen wie ihre männlichen Pendants
fordern, Filme produzieren oder finanzieren, leider oft immer noch: “XY trägt ein Kleid von Z.” Es
ist stets die gleiche Zumutung, dass das Label des Kleides
interessanter sein soll als das, was eine Frau über ihren Beruf zu sagen hätte.

Es wirkt zunächst vielleicht wie eine
Retourkutsche, nun endlich festzustellen: Oh, Billy Porter ist in
Christiano Siriano erschienen! Spike Lee hat sich seinen Anzug von
Ozwald Boateng entwerfen lassen. Jason Momoa trägt einen der letzten
Entwürfe von Karl Lagerfeld für Fendi. Reden wir also darüber, wen
die Männer tragen! Wäre das nicht wahre Diversität, die
von den Oscars immer wieder gefordert worden ist, seit 2016 der
Hashtag #OscarsSoWhite aufkam?

Spike Lee in Lila mit seinem Oscar für das beste adaptierte Drehbuch für “BlacKkKlansman”
© Frederic J. Brown/AFP/Getty Images

Wenn also diese Preisverleihung
Vielfalt und Gleichberechtigung spiegeln soll, dann beginnt dies damit, mit den Männern über Mode zu sprechen und
ihnen etwas anderes zuzugestehen als den ewigen uniformen Smoking. Und
so hat Billy Porter völlig zu Recht auf Instagram gepostet:
“Wenn man zu den Oscars geht, muss man sich schick machen.” Der
Schauspieler und Sänger ist derzeit in der Netflix-Serie Pose
über die New Yorker Ballroom-Kultur
zu sehen, und er ist im Dolby Theatre mit viel Grandezza in einem
Smokingkleid erschienen: streng geschnittenes Sakko, weißes Hemd mit
Fliege, die Weste aber wie eine Corsage geschnitten und kombiniert mit einem bodenlangen Rock, der mit dem gleichen Drama
ausschwingt wie Scarlett O’Haras Kleider in Vom Winde verweht.
Porter war einer der Ersten auf dem roten Teppich, und danach war man
sich auf Twitter sehr freundlich einig: Das sei das Kleid des
Abends! Von der Häme, mit der ansonsten Abweichungen vom Dresscode bedacht wurden, weitgehend keine Spur.

Der Musikproduzent Pharrell Williams erschien in einer Art Pfadfinder-Galalook mit Camouflage-Muster, korrektem Schnitt und kurzen Hosen zu weißen Socken. Der Regisseur Spike Lee hatte sich für
Kardinalslila entschieden, kombiniert mit einem leuchtend blauen
Hemd, goldenen Nikes und einer Chauffeuersmütze, ebenfalls in Lila.
Wie eine Karikatur auf die Verlautbarungen von Hollywoods teuersten
Juwelieren hatte Lee diesen Look noch um schwere Schlagringe mit den
Schriftzügen “Love” und “Hate” ergänzt, um den Hals trug er
eine Kette mit dem von Prince erschaffenen Zeichen, das männliche und
weibliche Symbolik verbindet.

Pretty in Pink: Helen Mirren und Jason Momoa
© Kevin Winter/Getty Images

Der Schauspieler Jason Momoa trug einen
Smoking in Puderrosa und hatte passend dazu ein Scrunchie ums
Handgelenk geschlungen – dieses Rüschenhaarband der
Neunzigerjahre, das gerade ein rätselhaftes Comeback erlebt und für
den spannendsten Moment einer eher faden Zeremonie stand: Wann würde
Momoa es zur Haarbefestigung einsetzen?

An dieser Stelle müssen wir auf
Helen Mirren zurückkommen. Denn auch sie war, in Schiaparelli
Couture, sehr pretty in pink und hatte wie immer Recht. Auf
vogue.com sagte sie über Jason Momoa und sich: Dass ein
hawaiianischer Gott und eine recht reife englische Frau dieselbe Farbe tragen könnten, zeige, dass die Zeiten sich wirklich gewandelt
hätten. 

Ja. Es war richtig fortschrittlich, dass wir bei den Oscars mal mit Männern über Mode reden konnten.

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